Flaming Bess 08 - Die elektrischen Ritter
wich, aber sie wußte, daß die Kälte siegen würde.
Weiter!
Der enge Spalt zog sich wie ein Wurmkanal durch die Eisbarriere.
Eine Todesfalle, wenn der Grüne sie überraschte, ehe sie auf der anderen Seite war.
Aber sie mußte es riskieren.
Ein rascher Blick in die Runde. Nichts. Keine Spur vom Elektrischen Ritter.
Flaming Bess zwängte sich durch den Spalt. Eine scharfe Eiskante schlitzte ihr an der Hüfte den Thermo-Overall auf, und sofort biß die Kälte wie mit zahllosen spitzen Zähnen in ihr Fleisch.
Ihr Herz hämmerte. Die wenigen Sekunden, die sie benötigte, um durch den Spalt zu kriechen, dehnten sich zu einer kleinen Ewigkeit.
Sie fühlte sich ausgeliefert und hatte Angst.
Angst vor dem Tod, Angst vor dem Scheitern ihrer Mission.
Aber die Angst schärfte ihre Sinne. Sie hörte Schritte. Das Knirschen verpappten Schnees unter metallenen Sohlen, das gläserne Klirren, mit dem ein Eiszapfen brach. Die Schritte näherten sich von rechts der V-förmigen Öffnung in der Barriere, die nur noch einen knappen Meter von ihr entfernt war. Eine verzerrte, schattenhafte Gestalt hinter der trüben Eiswand.
Der Elektrische Ritter.
Er würde die Öffnung erreichen, bevor sie den Kanal verlassen konnte. Er würde sie töten. Flaming Bess zielte mit ihrem Destruktor auf das massive Eis, das sie von dem Roboter trennte. Es war Wahnsinn, aber ihr blieb keine andere Wahl. Sie drückte ab.
Eine donnernde Explosion. Sengende Hitze. Dampf verbrühte ihr Gesicht trotz der dicht anliegenden Maske. Das Eis rumpelte und brach krachend, und ein schwerer Brocken klemmte ihre Beine ein. Der Schmerz war fast unerträglich. Nur mit Mühe gelang es ihr, ihre autogene Körperkontrolle aufrechtzuerhalten und zu verhindern, daß sie das Bewußtsein verlor. Der Dampf kühlte ab und kondensierte, gefror. Das Rumpeln und Knirschen des Eises ließ nach.
Benommen hob Flaming Bess den Kopf. Ihr Schuß hatte ein riesiges Loch in die Barriere gesprengt und das Eis geschwärzt. Und ihr Schuß hatte den Grünen Ritter getroffen: Rücklings lag er im Schnee, mit geborstenem Brustkorb und seltsam verdrehtem Kopf, von einer dünnen Raureifschicht überzogen. Sie schluchzte vor Erleichterung.
»Ho, ho, der Grüne Ritter ist tot, ho, ho!« drang das Geschrei des Krummen durch das Orgeln des Windes.»Und hier ist das Schloß, Gebieterin, der Krumme bringt es Euch, ho, ho!«
Der Zwerg tauchte hinter einem klobigen Eisbrocken auf, winkte ihr zu und schob dann ächzend und schnaufend den koffergroßen Metallbehälter durch den Schnee.
»Ho, ho, jetzt sind es nur noch zwei! Der Rote und der Weiße. Ein Kinderspiel für Euch, Gebieterin, ein Kinderspiel!«
Flaming Bess schloß die Augen. Ein Kinderspiel? Eher ein Spiel um Leben und Tod. Und sie war so erschöpft, so müde …
Dann machte sie sich daran, ihre eingeklemmten Beine zu befreien. Sie konnte es kaum erwarten, das Siegel des Vierten Schlosses zu brechen und diese Zone aus Eis und Kälte zu verlassen.
Auch wenn in der nächsten Zone schon der Rote Ritter auf sie wartete.
10.
Flaming Bess rannte.
Sie rannte, seit der Dimensionstrichter sie in die Zone des Roten Ritters versetzt hatte. Sie rannte um ihr Leben.
Die Rollen waren vertauscht: In dieser Runde war sie die Gejagte und der Elektrische Ritter der Jäger. Nichts und niemand konnte ihr helfen, nicht einmal der Krumme, der gleich zu Beginn der erbarmungslosen Jagd mit den beiden letzten Tafeln des Orat-Madur verschwunden war.
Soviel zum Krummen.
Zum Teufel mit den Regeln, auf die sich der Zwerg berief! Wenn er wollte, daß sie das Tor zur Erde öffnete, dann sollte er etwas für sie tun! Oder hoffte er, daß sie den Gegner ablenkte und ihm so die Gelegenheit verschaffte, das Fünfte Siegel zu brechen? Unwahrscheinlich — bisher hatte er sich strikt an die Regeln gehalten, die ihm untersagten, direkt in das Geschehen einzugreifen.
Vielleicht war er gar nicht in der Lage, den Öffnungsmechanismus des Tores zu aktivieren …
Unnütze Spekulationen.
Der Tod war ihr auf den Fersen, und sie zerbrach sich den Kopf über diesen verrückten Zwerg!
Sie rannte weiter und wirbelte Asche auf. Der Boden war zentimeterhoch mit Asche bedeckt, und Asche war alles, was diese Zone zu bieten hatte, Asche und Ruinen. Bis auf die Grundmauern zerstörte Gebäude, die verbogenen, ausgeglühten Stahlskelette abgebrannter Hochhäuser, Schuttberge und Trümmerfelder. Diese Zone trug die Handschrift des Krieges, eines Krieges, der
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