Flamingos im Schnee
der Magengegend spürte und sich krümmte.
Jackson brachte sie zum Parkplatz, wo er das Kostüm auszog und den Tigger-Kopf auf den Rücksitz warf. Er jagte Cumulus nach Hause, aber als sie dort ankamen, hatte der Anfall, oder was es auch immer war, nachgelassen. Zumindest so weit, dass sie wieder sprechen konnte.
»Tut mir leid«, sagte Cam. Sie standen in der Einfahrt, und um sie herum dämmerte der Abend. Wetterleuchten erhellte zuckend das Wageninnere, wie ein langsames Discolicht. Cam liebte Wetterleuchten, weil es sie daran erinnerte, dass sie auf einem Planeten lebte. Bei jedem Lichtblitz sah sie den Tigger-Kopf aus dem Augenwinkel – den berühmten Unterbiss und die ewig erstaunt dreinblickenden Knopfaugen. Würde er je wissend werden? Cam wünschte, sie könnte wie Tigger sein, ein selig Unwissender.
»Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen«, murmelte Jackson. Das glaubte sie jedenfalls zu hören. Er spielte mit Scooby-Doo, ihrem Schlüsselanhänger, dann gab er ihn ihr. Seine rauen, schwieligen Finger streiften sie. Sie mochte seine Hände. Es gab nichts Schlimmeres als weiche Männerhände.
»Was hast du gesagt?«, fragte sie.
»Vergiss es. Ein kitschiges Zitat aus einem kitschigen Film. Ich bin nicht sehr geschickt in so was.«
» Love Story . 1970. Mit Ali McGraw und Ryan O’Neal«, sagte Cam automatisch.
»Der ist ziemlich schlimm«, gab Jackson zu.
»Aber trotzdem irgendwie gut.«
»Also, willst du mal mit mir ausgehen?«, fragte er schließlich.
»Mein Gott, Jackson, hat deine Mutter dich darauf angesetzt?«
»Nein. Ich meine, also nicht so richtig.«
»Echt, du brauchst wirklich nicht den netten Jungen zu spielen, der mit dem todkranken Mädchen geht. Stülp dir diese Identität nicht über, sonst wirst du sie nie wieder los. Glaub mir. Es bleibt an dir hängen, und dann kriegst du nie ’ne scharfe Blondine.«
»Ich mag dich, Cam.«
Tja, dafür ist es ein bisschen zu spät , dachte Cam. Sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, weil es so rührend war, wie gut er es meinte. Manchmal sind die Männer das schönere Geschlecht , fand sie. Galanter und reiner und unschuldiger und aufrechter. Vielleicht, weil sie sich nicht so sehr anstrengen mussten.
Zum Glück kam Izanagi gerade aus dem Haus, als Cam und Jackson ausstiegen.
»Perfektes Timing«, meinte Cam. »Fahr ihn bitte nach Hause, ja, Izanagi?«
»Klar. Fahren wir, Junge.«
Cam winkte Jackson zu. » NDT «, sagte sie, was Tiggers Lieblingslieblingsspruch war. Na dann tschüss.
»Oho«, machte Perry, als Cam hereinkam. Perry trug ein enges Hello-Kitty-Shirt, Hot Pants und rosa Uggs, in denen sie durchs Haus stolzierte, während sie eine SMS auf ihrem knallrosa Handy schrieb. Sie hatte die Haare im Nacken zu zwei Affenschaukeln zusammengebunden und sah aus wie Heidi. »Wie war dein Date? Hattest du Mundkontakt oder was?«, fragte sie, ohne von ihrem Telefon aufzusehen.
»Was weißt du denn von Mundkontakt?«
»Mehr als du wahrscheinlich.«
»Das will ich nicht hoffen, du kleine Schlampe.«
»Mom, Cam hat mich Schlampe genannt.«
»Getroffene Hunde jaulen«, erwiderte Alicia, die fröhlich zwinkernd hereinrauschte und Cam umarmte. Aus irgendeinem Grund hatte sie gute Laune.
»Mom!«, protestierte Perry.
»Hör auf zu heulen, Perry. Du weißt, dass sie nur Spaß gemacht hat. Geh und schmus mit deinen Einhörnern.«
Perry war elf und hatte ihr Zimmer mit Einhorn-Postern tapeziert und mit Glaseinhörnern, Porzellaneinhörnern und Plüscheinhörnern vollgestopft. Cam hasste diese Phase, in der in Mädchenzimmern Poster von Rockstars neben Bergen von Kuscheltieren hingen. Aber wer war sie, darauf herabzusehen? Sie hatte gerade ein Rendezvous mit dem verdammten Tigger gehabt.
»Weißt du, ein Einhorn könnte dich heilen, Campbell«, bemerkte Perry und sah endlich von ihrem Getippe auf. Sie starrte Cam an, als wäre ihr gerade eine großartige Idee gekommen.
»Es gibt keine Einhörner, du Genie«, entgegnete Cam. »Was du meinst, sind bloß abartige, einhornige Ziegenmutanten.«
»Sie sind eben selten und total wild und können nur von einer Jungfrau gezähmt werden. Das passt also. Du könntest dir leicht eins zähmen, weil du noch Jungfrau bist!« Perry unterstrich die letzten Worte mit wackelndem Zeigefinger, ehe sie durch den Flur davonflitzte.
»Halt bloß die Klappe, Perry«, rief Cam auf dem Weg in ihr Zimmer. Sie schleppte sich durch den Flur, schlurfte über den zunehmend bräunlichen Flauschteppich.
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