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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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beendet.
    Lena war jegliches Zeitgefühl abhandengekommen, weil sie unentwegt Jess vor Augen gehabt hatte, dem durchaus noch Schlimmeres geschehen konnte, wenn man ihn jemals erwischte. Sie zuckte zusammen, als Edward sie unter den Armen fasste und von ihrer Bank zog, um sie zurück ins Haus zu führen. Nie war sie sich ausgelieferter vorgekommen. Lady Butterfield hatte unrecht: Lena war sehr wohl eine willenlose Sklavin. Sie war Edwards persönliche Sklavin, und offenbar konnte sie keine Macht der Welt von ihrem erbarmungslosen Schicksal erlösen.
    Auch die anderen Gäste waren überraschend schweigsam geworden. Erst beim Abendessen lockerte sich die Stimmung wieder ein wenig. Estrelle und Jeremia trugen gekochten Hummer und Rinderfilet auf. Lena verweigerte ihr Essen, weil es die einzige Möglichkeit war, um ein Mindestmaß an Protest zu zeigen.
    «Das liegt bestimmt an ihrer Schwangerschaft», kam Lord Butterfield mit einem anzüglichen Lächeln zu Hilfe. «Als meine Frau mit unseren Jungs guter Hoffnung war, litt sie auch an Appetitlosigkeit.»
    «Wenn es ein Junge wird, erkennt man das gerne an der Appetitlosigkeit der Schwangeren», fügte Lady Butterfield hilfreich hinzu.
    «Na, das nenn ich doch mal eine gute Prognose», verkündete Edward mit aufrichtiger Begeisterung.
    Mit einem siegessicheren Lächeln hob er vor der versammelten Gästeschar sein Portweinglas.
    «Einen Toast auf meine liebe Frau», rief er und erhob sich mit stolzgeschwellter Brust von seinem Platz. «Bleib so, wie du bist, auf dass uns Gott der Herr viele gemeinsame Söhne schenke.»
    Bleib, wie du bist!
Lena verspürte plötzlich eine überwältigende Übelkeit, die sie angesichts Edwards unverschämter Aussage überfiel wie ein unangekündigter Orkan. Obwohl sie den ganzen Tag beinahe nichts zu sich genommen hatte, übergab sie sich lautstark auf den vor ihr stehenden Teller.

    Edward ärgerte sich immer noch über Lenas Auftritt bei Tisch, als er wenige Tage später seinen ganz persönlichen Heiligen Abend einläutete. Wahrscheinlich hatte sie mit Absicht auf den Teller gekotzt. Irgendetwas in ihrem Blick ließ ihn ahnen, dass sie ihn nach wie vor abgrundtief hasste. Sosehr er sich auch bemühte, nichts schien ihr zu gefallen. So sorgte er stets für ausgesuchte Köstlichkeiten, kostbare Seifen und Parfüms und ließ die teuersten Kleider für sie kaufen. Und nun verschonte er sie noch von ehelichem Beischlaf, was sie durchaus zu begrüßen schien, aber trotz dieses Entgegenkommens wollte es ihm nicht gelingen, ihre Mauer aus Schweigen zu durchbrechen. Sollte sie doch in ihrer Starre verrecken! Der Vorteil dieses verabscheuungswürdigen Zustands war, dass sie ihm offenbar gehorsam blieb.
    Das Einzige, was ihn inzwischen beunruhigte, waren die Briefe ihres Vaters, die er ihr bisher vorenthalten hatte und – gespickt mit Tausenden von Lügen – von seinem Schreiber beantworten ließ. Irgendwann würde der alte Haudegen misstrauisch werden, doch bis dahin war vielleicht schon sein Enkel geboren, was Lenas Vater sicherlich milde stimmen würde.
    Ein Blick auf seine schlafende Frau ließ Edward den Entschluss fassen, seine Lust am Tag vor Weihnachten wieder einmal bei Yolanda zu befriedigen. Schließlich wollte er nicht, dass Lena den Balg vorzeitig verlor. Edward stieg leise seufzend in seine Stiefel und schloss die Tür lautlos hinter sich, bevor er sich auf den Weg zu den Sklavenunterkünften machte.
    In der Dunkelheit des Parks kamen ihm Zweifel, ob er sich auf seiner eigenen Plantage noch sicher fühlen konnte. Die Auspeitschung des jungen Mulatten war nicht eben auf begeisterten Boden gefallen. Eigentlich war es ja verboten, zur Selbstjustiz zu schreiten, aber mit den meisten übrigen Pflanzern auf der Insel war er sich einig, dass das Sklavenpack nicht die Oberhand gewinnen durfte.
    Verdammt noch mal, hörte er seinen Vater sagen, wo kommt man denn hin, wenn man noch nicht einmal mehr seine eigenen Sklaven züchtigen darf?
    Wer sich weigerte, den Blakes zu gehorchen, würde auch weiterhin Trevors Peitsche zu spüren bekommen. Und wenn das nicht half, notfalls Trevors Messer oder dessen Pistole. Edward und sein Vater würden sich nicht von diesen stumpfsinnigen Negern auf der Nase herumtanzen lassen!
    Schon war Yolandas Hütte in Sicht. Dank seiner Großzügigkeit brannte dort immer eine Kerze, die er ihr neben besserem Essen und besseren Kleidern bezahlte. Als er, ohne anzuklopfen, in ihre Hütte marschierte, stillte sie gerade

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