Flammen des Himmels
Reliquiengelumpe und die Monstranzen aus den Kirchen werfen lassen. Doch jetzt tun sie so, als wären sie immer noch eifrige Katholiken. Da kommt ihnen ein Neubürger wie Hinner Hinrichs und dessen Familie als Sündenböcke gerade recht.«
»Ich werde mit meinem Vater reden. Er besitzt Einfluss beim Fürstbischof und kann den Inquisitor vielleicht zügeln!« Lothar hatte zwar wenig Hoffnung, wollte aber alles tun, um Frauke und deren Familie zu retten.
»Tut das!«, stimmte Draas ihm zu. »Ich werde unterdessen schauen, ob ich nicht doch einen Weg finde, wie wir in das Kloster eindringen können.«
»Eventuell kann ich auch etwas herausfinden. Immerhin hat man mich und meinen Vater dort einquartiert«, antwortete Lothar nachdenklich.
»Das ist wenigstens etwas! Vielleicht könnt Ihr mich in der Nacht einlassen.« Das schwere Klosterportal war in Draas’ Augen das größte Hindernis, doch das konnte er möglicherweise mit Lothars Hilfe überwinden. Allerdings wusste er nicht, wie es in den Kellern des Klosters aussah, und er beschloss daher, gleich am nächsten Morgen das Stadtarchiv aufzusuchen und nachzusehen, ob dort Baupläne der Anlage zu finden waren. Das erklärte er Lothar.
Der junge Mann nickte ihm aufmunternd zu. »Das ist eine gute Idee! Vielleicht gibt es sogar einen Geheimgang, durch den wir in den Keller eindringen, die Gefangenen befreien und mit ihnen wieder verschwinden können. Jetzt aber werde ich zu meinem Vater zurückkehren und ihm von dem Schurkenstreich des Inquisitors berichten.«
»Das würde ich an Eurer Stelle nicht tun«, wandte Draas ein. »Es ist spät, und die Kreaturen des Inquisitors könnten sich fragen, was Ihr um diese Stunde noch in der Stadt zu tun hattet. Solch ein Gelichter besitzt ein feines Gespür für Leute, die sich gegen sie stellen wollen.«
»Was soll ich sonst tun?«, fragte Lothar.
»Oben ist eine kleine Kammer mit einem Bett. Legt Euch hin und schlaft.«
»Als wenn ich jetzt schlafen könnte!«, fuhr der junge Mann auf.
Draas hob beschwichtigend die Hand. »Jetzt beruhigt Euch wieder. Wenn Ihr übernächtigt ausseht, werden die Knechte des Inquisitors auch auf Euch aufmerksam, und wenn nicht diese, so doch ihr Herr! Außerdem seid Ihr Frauke und den anderen ein besserer Helfer, wenn Ihr ausgeschlafen habt.«
Es blieb Lothar nichts anderes übrig, als sich der größeren Erfahrung des Stadtknechts zu beugen. Obwohl er so aufgewühlt war wie selten zuvor, stieg er die Treppe empor und legte sich auf das schmale Bett. Seine Gedanken rasten, und er glaubte nicht, einschlafen zu können. Doch bald fand er sich im Traumland wieder und musste darin miterleben, wie Frauke von den Knechten des Inquisitors aufs widerlichste geschunden wurde, während er hilflos danebenstand und keinen Finger rühren konnte.
4.
A ls Lothar erwachte, war es draußen bereits hell. Neben dem Bett stand eine Schüssel mit Wasser, so dass er sich notdürftig waschen konnte. Auch ohne Spiegel war ihm bewusst, dass er sich so vor dem Inquisitor nicht sehen lassen durfte. Mit etwas Mühe zupfte er seine Kleidung zurecht, fuhr sich noch einmal mit den Fingern durch die Haare und stieg nach unten.
Draas erwartete ihn bereits. »Seid Ihr endlich aufgewacht? Beim nächsten Stundenschlag erscheint meine Ablösung, und die darf Euch hier nicht sehen.«
»Du hättest mich bereits früher wecken sollen!« Lothar rieb sich die müden Augen und fragte dann: »Ist draußen schon viel los?«
Draas schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht! Wohl deswegen, weil das Tor ohne die Erlaubnis des Inquisitors nicht geöffnet werden darf. Einer seiner Knechte brachte noch in der Nacht die Meldung. Sie suchen nach Leuten, die sie ebenfalls als Ketzer anzeigen wollen. Was für ein erbärmliches Gesindel!«
Der Wächter schüttelte den Kopf, öffnete die Tür und blickte hinaus. »Ich glaube, jetzt könnt Ihr gehen. Wir sollten noch ausmachen, wo und wann wir uns das nächste Mal treffen. Hier geht es schlecht, denn ich muss in den nächsten zwei Tagen keinen Dienst versehen. Kennt Ihr die Schenke des einbeinigen Jens in der Sattlergasse?«
»Nein, aber ich werde sie finden.«
»Kommt zwischen drei und vier dorthin. Da ich um die Zeit öfters einen Krug Bier in der Schenke trinke, fällt es nicht auf, wenn wir uns zusammensetzen.«
»Gut!« Lothar atmete noch einmal tief durch und trat auf die Straße. Tatsächlich war sie überraschend leer. Die Nachricht, dass der Inquisitor in der letzten Nacht
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