Flammen des Himmels
zugeschlagen hatte, war bereits in aller Munde, und so blieben die Menschen aus Furcht in ihren Häusern. Daher vermochte Lothar ungesehen ins Kloster zurückzukehren, fand das Portal jedoch verschlossen. Tief durchatmend straffte er den Rücken und klopfte heftig.
Ein Dominikaner öffnete ihm. »Ach, Ihr seid es«, meinte er uninteressiert. Dem Sohn des fürstbischöflichen Rates Magnus Gardner maß er wenig Bedeutung bei.
Dies war Lothar recht, dennoch gab er sich verwundert. »Warum ist die Klosterpforte verschlossen? Das war doch gestern nicht der Fall.«
»Es gibt Gründe, die Euch aber nicht bewegen sollten, junger Herr«, antwortete der Mönch ausweichend.
»Wenigstens seid Ihr gekommen, um mir aufzumachen!« Lothar tat so, als gäbe er sich damit zufrieden, und ging weiter zu der Kammer, die er mit seinem Vater teilte.
Dieser schien unterwegs zu sein, denn der Raum war leer. Zuerst ärgerte er sich darüber. Dann aber fiel ihm ein, dass um diese Zeit die Messe in der Klosterkapelle gelesen wurde und er auch daran hätte teilnehmen müssen. So rasch es ging, zog er einen anderen Rock an, bürstete sein Haar und eilte zur Kapelle. Dort trat er in aller Vorsicht ein und setzte sich auf die hinterste Bank. Zu seiner Erleichterung wurde niemand auf sein spätes Erscheinen aufmerksam.
Nachdem der Pfarrer des Klosters die Messe beendet hatte, wartete Lothar, bis sein Vater die Kapelle verließ, und gesellte sich zu ihm.
Magnus Gardner musterte seinen Sohn mit einem tadelnden Blick. »Ich hatte dich schon vermisst! Aber ich sehe, du bist doch noch zur Messe erschienen.«
»Ich muss mit Euch sprechen, Herr Vater«, begann Lothar vorsichtig.
»Das kann ich mir denken. Komm mit! Laut Magister Rübsam hat der Inquisitor sich zurückgezogen und wünscht unsere Anwesenheit heute nicht.«
Magnus Gardner legte seine Rechte auf die Schulter seines Sohnes, so als wolle er verhindern, dass dieser erneut seiner eigenen Wege ging, und führte ihn zu ihrer Kammer.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, brach es aus Lothar heraus.
»Ihr müsst ein Schurkenstück verhindern, Herr Vater, das seinesgleichen sucht.«
»Ich dachte mir schon, dass du in der Nacht nicht unterwegs gewesen bist, um mit einem Mädchen zu tändeln. Erzähle, was geschehen ist, aber lege deiner Stimme Zügel an. Es laufen immer wieder Leute draußen herum, die nicht alles wissen sollten.«
Mit diesen Worten schob Gardner Lothar in die am weitesten von der Tür entfernte Ecke und blieb so nahe bei ihm stehen, dass ein Flüstern reichte, um sich zu verständigen.
Lothar berichtete rasch von Fraukes Gefangennahme und der ihrer Familie und schloss mit den Worten, dass Gott es gewiss nicht wolle, dass diese armen Menschen ein Opfer des Inquisitors würden.
»Wenn dies wirklich in Gottes Sinne wäre, hätte er verhindern können, dass sie überhaupt gefangen wurden«, erwiderte sein Vater kühl.
»Aber man kann diese Menschen doch nicht einfach foltern und auf den Scheiterhaufen bringen!«
»Jacobus von Gerwardsborn kann viel, und er hat in der Vergangenheit auch gezeigt, dass er noch zu weitaus mehr fähig ist. Selbst wenn du Mitleid mit dieser Familie empfindest, können wir nichts für sie tun. Die Vollmachten des Inquisitors reichen aus, um jeden auf der Stelle und nur auf sein Wort hin dem Flammentod zu überantworten. Man nennt ihn nicht umsonst den Bluthund des Papstes.«
»Aber wenn wir nichts tun, machen wir uns mitschuldig an dem himmelschreienden Unrecht, das hier geschieht«, rief Lothar verzweifelt.
»Gott wird sich ihrer Seelen erbarmen und sie, so sie es wert sind, in sein Himmelreich geleiten. Doch wenn wir Widerstand leisten, wird Gerwardsborn hier in einer Weise wüten, dass es selbst Herodes’ Kindesmord in Bethlehem übertrifft. Verstehst du das nicht?«
Da Lothar wenig überzeugt schien, sah Gardner seinen Sohn zwingend an. »Mach mir meine Aufgabe nicht noch schwerer, als sie so schon ist!«
Insgeheim fragte er sich, weshalb sein Sohn sich so eifrig für die verhaftete Familie einsetzte. Sollte es wegen des Mädchens sein, das als die Schönste in der Stadt galt? Die Gefühle eines jungen Mannes wurden leicht entflammt, kühlten aber auch rasch wieder ab.
Angesichts dessen blickte er seinen Sohn strafend an. »Du kümmerst dich nicht um diese Sache! Hast du mich verstanden? Deine Aufgabe ist es, den Inquisitor beim Schachspiel zu erfreuen.«
»Und freiwillig gegen ihn zu verlieren, meint Ihr wohl, Herr Vater.
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