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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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»Ich habe niemanden, der den Models
beim Umkleiden hilft. Eigentlich wollte ich das ja machen. Yvonne sollte durch
die Modenschau führen.« Resolut winkte sie ab. »Ich werde einfach die nächste
Kundin fragen, die bei mir einkauft. So was kann ja jeder.«
    Mamma Carlotta kam eine Idee. »Ich könnte unsere Nachbarin fragen.
Frau Kemmertöns ist bestimmt gern bereit.«
    Geraldine bedachte sie mit einem freundlichen Blick. »Das wäre nett!
Danke! Bringen Sie die Dame einfach zur nächsten Probe mit, dann zeige ich ihr
alles.«
    In diesem Moment klopfte es an der Terrassentür. Marikke, die mit
ihrem Rollstuhl die beiden Stufen vor der Eingangstür nicht bewältigen konnte,
nahm stets den Weg durch den Garten.
    Wilko öffnete so hastig die Tür, als hätte er ein schlechtes
Gewissen. »Komm rein, Marikke«, sagte er mit einer Freundlichkeit, die Mamma
Carlotta übertrieben vorkam. Hatte er tatsächlich ein schlechtes Gewissen? »Die
Vorbereitungen für die Modenschau werden dich interessieren.«
    Marikke rollte in die Werkstatt, ihr Gesicht zeigte kein Lächeln.
»Warum? Gibt’s hier auch Mode für Rollstuhlfahrerinnen? Oder wisst ihr gar
nicht, was eine Frau braucht, die nicht mehr auf ihren eigenen Beinen stehen
kann?«
    Wilko Tadsen tat Mamma Carlotta von Herzen leid, sogar mit Geraldine
Bertrand hatte sie in diesem Augenblick Mitgefühl. Beide rangen nach Worten,
ohne jedoch die richtigen zu finden. Auch Kirsten wurde unruhig. Sie war die
Frau eines Angestellten des Tadsen-Baumarktes und kannte Marikke anscheinend
gut.
    Â»Schrecklich, wie sie ihren Mann immer vor den Kopf stößt«,
flüsterte sie Mamma Carlotta zu. »Als könnte der arme Kerl nicht genug leiden!«
    Wilko Tadsen fing sich als Erster. »Wenn wir Geraldine bitten, wird
sie sich gern darum kümmern«, meinte er mit einem Lächeln, das ihm sichtlich
schwerfiel.
    Marikke schien nicht wirklich daran interessiert zu sein. Sie warf
Geraldine einen kurzen Blick zu, dann blieben ihre Augen an Mamma Carlotta hängen.
Aber deren Gruß erwiderte sie so knapp und unverbindlich, als hätte es nie eine
Plauderei beim Espresso gegeben. Aus Mamma Carlottas Mitleid, das bis zu diesem
Augenblick in ihrem Herzen gelodert hatte, wurde prompt eine schwache Glut.
Zwar pustete sie eilig hinein, indem sie sich selber vorhielt, dass sie Marikke
versprochen hatte, sie demnächst wieder zu besuchen, aber waren drei Tage
wirklich eine so lange Zeit, um sie jetzt mit Unfreundlichkeit zu bestrafen?
»Du wirst im Laden gebraucht«, sagte Marikke zu ihrem Mann. »Ich kann die
Verkäufer ja nicht unterstützen. Im Rollstuhl … Oder findest du die Modenschau
wichtiger als den Baumarkt?«
    Wilko legte den Ablaufplan, an dem er lange gearbeitet hatte, zur
Seite. »Ich komme sofort!«
    Geraldine ging zu Marikke und beugte sich zu ihr hinab. »Verzeih,
dass ich nicht auf die Uhr gesehen habe.«
    Marikke reagierte nicht auf ihre Entschuldigung, sah nicht einmal zu
Geraldine auf. Und Wilko warf keinen einzigen Blick zurück, als er Marikkes
Rollstuhl in den Garten schob und die Tür sorgfältig hinter sich schloss.
    Es hatte wehgetan. Marikkes Bitterkeit, Wilkos Kleinbeigeben, der
Unterschied zwischen Geraldines Schönheit und Marikkes Blässe, zwischen
Geraldines elegantem Kleid und dem Anorak, den Marikke sich nachlässig übergeworfen
hatte, bevor sie ins Modeatelier gerollt war. Auch ihr triumphierender Blick
hatte wehgetan, diese Freude daran, etwas zu zerstören, woran sie selbst keinen
Anteil hatte. Mamma Carlotta sah diesen Schmerz in allen Gesichtern. Ob Marikke
den vermeintlichen Triumph, weil sie ihrem Mann einen schönen Augenblick kaputt
gemacht hatte, jetzt auskostete? Mamma Carlotta jedenfalls war zum ersten Mal
geneigt, Frau Kemmertöns recht zu geben: Wilko Tadsen konnte seiner Frau auch
treu sein, indem er mit Geraldine Bertrand ein Verhältnis einging. Und dass Bäcker
Arfsten der Meinung war, Wilko hätte genauso viel Mitleid verdient wie seine
Frau, war anscheinend auch nicht von der Hand zu weisen.
    Der Hauptkommissar und sein Assistent traten aus der Ladentür
von Zweirad-Pedersen. Erik griff sich an den Hinterkopf und verzog das Gesicht,
Sören dehnte sich, als hätte er während eines langweiligen Bürotages
stundenlang auf dem Stuhl sitzen müssen.
    Â»Was meinen Sie? Gibt das ein Veilchen?«,

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