Flammen im Sand
fragte er und hielt seinem
Chef das Gesicht hin.
Erik wollte seinem Assistenten nicht den Mut nehmen: »Glaube ich
nicht. So heftig hat er doch auch gar nicht zugeschlagen. Oder?«
Sören wollte seinen körperlichen Einsatz nicht kleinreden lassen.
»Sagen Sie das nicht! Wenn dieser muskulöse Fahrradmechaniker nicht
dazwischengegangen wäre, sähe ich jetzt ein paar Jahre älter aus.«
»Und ich sähe uralt aus, wenn Sie nicht dazwischengegangen wären.«
Das waren viele Komplimente für zwei Friesen, die so direkte
Freundlichkeiten selten aussprachen oder zu hören bekamen.
Sören, dem rhetorische Anerkennung von seinem Chef geradezu
unheimlich war, kehrte als Erster zum Alltäglichen zurück. »Wenn Tadsen seine
Angaben bestätigt, sind wir angeschmiert«, sagte er und blickte in den Himmel.
»Der Sturm nimmt zu.«
Langsam gingen sie am Modeatelier vorbei, dessen Laden verwaist war.
Aber die Tür, die in die Werkstatt führte, stand offen, die Betriebsamkeit
dahinter war von der StraÃe aus zu erkennen.
»Wir brauchen Pedersens Geständnis«, sagte Erik, »sonst sieht es
nach wie vor schlecht aus.«
Sören war zuversichtlich. »Wir verhören ihn so lange, bis er
einknickt. Meine Wut auf ihn ist groà genug. Mit einem Kerl, der mir eins aufs
Auge gibt, habe ich kein Mitleid. Und Tadsen wird nichts bestätigen, was nicht
der Wahrheit entspricht. So dumm ist der nicht.«
Erik schüttelte den Kopf. »Das glaube ich auch nicht. Der mag
Pedersens bester Freund sein, aber er wird nicht in einem Mordfall eine
Falschaussage machen. Der Mann hat sich noch nie was zuschulden kommen lassen.«
»Bis auf diesen Unfall, der seine Frau in den Rollstuhl gebracht
hat.«
Erik runzelte ärgerlich die Stirn. »Das könnte jedem von uns
jederzeit passieren. Oder wollen Sie behaupten, Sören, Sie hätten im
StraÃenverkehr noch nie einen Fehler gemacht?« Den Gedanken an den
Lastwagenfahrer, dessen Fehler Lucia das Leben gekostet hatte, schob er
beiseite, für diesen Menschen hätte er keine Begütigung gelten lassen. Es war
eben alles eine Frage des Standpunkts. Für Marikke Tadsen würde es auch nicht
leicht gewesen sein, ihrem Mann seinen Fehler zu verzeihen. Wie der Lastwagenfahrer
mit seiner Schuld lebte, wusste Erik nicht. Merkwürdig, dass er sich nie
Gedanken darüber gemacht hatte â¦
Diesmal gingen sie nicht bis zum Eingang, der in Tadsens Privathaus
führte, sondern überquerten den Parkplatz der Firma und betraten den Baumarkt.
»Er wird hier irgendwo sein«, meinte Erik und sah sich um.
Sören sprach einen Verkäufer an, der ihnen den Weg in die
Sanitärabteilung wies. Dort erklärte Wilko Tadsen gerade einem Kunden, wie der
Spiegelschrank, den er sich ausgesucht hatte, an die Wand zu hängen war. Er
warf ihnen einen fragenden Blick zu, Erik antwortete mit einer
beschwichtigenden Geste. Tadsen sollte das Gespräch mit seinem Kunden ruhig zu
Ende führen.
Es kam auf seine Aussage an. Wenn Tadsen seinem Freund die Stange
hielt, würden sie Jannes Pedersen vermutlich heute noch auf freien Fuà setzen
müssen, spätestens morgen. Dass sie ihn überhaupt festnehmen konnten, nannte
Erik nun Glück. Für einen Haftbefehl hätte es nicht gereicht, doch Jannes Pedersen
hatte den Fehler begangen, die beiden Polizisten tätlich anzugreifen. Das
rechtfertigte es allemal, ihn für mindestens eine Nacht in Gewahrsam zu nehmen.
Es hatte nicht lange gedauert, da war Erik bei der Durchsuchung von
Pedersens Büros auf das Haus in der Toskana gestoÃen. Und ein Anruf bei der
Immobilienfirma hatte ausgereicht, um zu erfahren, dass es bar bezahlt worden
war. Mehrere hunderttausend Euro hatte Jannes Pedersen auf den Tisch
geblättert.
»Sie glauben, das habe ich von Elskes Lottogewinn bezahlt?«
»Das werde ich glauben, solange Sie mir nicht das Gegenteil
beweisen«, hatte Erik ruhig geantwortet.
»Jeder Geschäftsmann macht solche Anschaffungen, die nicht durch die
Bücher gehen sollen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Schwarzgeld! Besser die Finanzbehörde am Hals als die
Mordkommission!«
Erik sah, dass es in Jannes Pedersen schon zu brodeln begann, dass
die Ader an seiner Stirn pochte, die Röte in sein Gesicht stieg und seine
Fäuste sich öffneten und schlossen, in einem Rhythmus, der immer schneller
wurde. »So viel
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