Flammen im Sand
Jannes Pedersen nun als Mörder entlarvt war. Und was für ein
Glück, dass der Topf, in dem Frau Kemmertöns den Grünkohl gebracht hatte, noch
in der Küche stand! Mamma Carlotta würde ihn direkt nach ihrer Rückkehr ins
Nachbarhaus tragen und Frau Kemmertöns bei dieser Gelegenheit mit einer
hochaktuellen Geschichte erfreuen.
Ob Erik etwas fand, was die Beweislage noch sicherer machte? Mamma
Carlotta war nicht entgangen, wie er zu Sören gesagt hatte: »Bis jetzt ist der
Brief von der Bank nur ein wichtiges Indiz. Der Beweis muss noch gefunden werden,
dass Pedersen von dem Lottogewinn wusste und sich das Geld genommen hat. Wenn
das bewiesen ist, wird jeder Richter annehmen, dass er seine Frau umgebracht
hat.« Aber er war zuversichtlich, etwas zu finden. »Irgendwas muss er mit dem
Geld gemacht haben. Er brauchte ja nicht einmal besonders vorsichtig zu sein,
solange Elske nicht gefunden worden war. Es hatte ja niemand einen Verdacht.«
Die Kosmetikerin war mit dem Tuschen der Wimpern fertig, aber Mamma
Carlotta wurde das Ãffnen der Augen trotzdem noch nicht gestattet. Ein
unangenehmes Ziepen lieà darauf schlieÃen, dass die Kosmetikerin zum Zupfen der
Augenbrauen übergegangen war. Ob Mamma Carlotta das wollte, wusste sie nicht,
dass man sie nicht fragte, gefiel ihr nicht, aber dass es sein musste, davon
war sie überzeugt. Die vielen neuen Vokabeln, die sie während dieser paar
Minuten gelernt hatte, waren derart einschüchternd, dass sie es nicht wagte,
die Notwendigkeit auch nur einer einzigen MaÃnahme infrage zu stellen. So
rätselhaft ihr Begriffe wie Mascara, Eyeshadow, Lipgloss und Conceiler auch
waren, sie hörten sich wunderbar an.
Eine Puderquaste fuhr ihr nun durchs Gesicht, ein Pinsel strich über
ihre Lippen, und dann spürte sie sogar ein Tupfen in ihren Augenwinkeln.
»Helle Punkte machen einen strahlenden Blick«, erklärte die
Kosmetikerin.
Geraldines Stimme näherte sich. »Der Signora dürfen Sie die Lippen
ruhig kräftig rot schminken! Das passt zu ihrem Typ.«
Erneut fuhr der Pinsel über Carlottas Lippen, dann durfte sie
endlich die Augen öffnen und sich im Spiegel betrachten.
Sie war überwältigt. Puder und Rouge hatten sie geradezu erblühen
lassen, groà und ausdrucksvoll waren ihre Augen in der dunklen Umrahmung,
lachend ihr knallroter Mund. Carlotta Capella sah aus, als wäre sie auf den
Laufstegen dieser Welt zu Hause, jedenfalls war das ihr subjektives Empfinden.
Carolin und Vanessa, die beide für die junge Mode zuständig waren,
sahen genauso fremd aus, wie Mamma Carlotta sich fühlte. Sie jedoch kamen
besser mit dieser Veränderung zurecht. Kirsten lächelte ebenso verlegen wie
Mamma Carlotta, als könnte sie ihrer eigenen Attraktivität nicht trauen,
während die jungen Mädchen sich ganz offen daran erfreuten, dass sich ihr
Abstand zu Kate Moss und Eva Padberg deutlich verringert hatte.
»Nett, dass du mir bei der Organisation hilfst«, sagte Geraldine
Bertrand gerade und sah Wilko mit einem Lächeln an, das Mamma Carlotta
spätestens jetzt verraten hätte, wie es um die beiden stand. Sie konnte nicht
glauben, dass Marikke Tadsen nichts von den Abwegen wusste, auf denen ihr Mann
sich bewegte. Er passte gut zu Geraldine, auch das konnte ihr nicht verborgen
bleiben. Ein wenig gröÃer war er, genauso attraktiv und gut gekleidet wie sie
und dazu charmant und höflich. Hatte Marikke früher mal gut zu ihm gepasst? War
sie hübsch und fröhlich gewesen, als sie noch auf ihren eigenen Beinen gestanden
hatte? Oder hatte ihre Anziehungskraft vor allem in der Firma bestanden, die
ihr Vater aufgebaut hatte?
Geraldine stellte die Models am Anfang des bockwurstbraunen
Sisalläufers auf, den Mamma Carlotta insgeheim noch immer einen roten Teppich
nannte. Geraldine sah Wilko fragend an. »Sollen sie bei der Anmoderation so
stehen bleiben? Oder sich besser auf dem Laufsteg verteilen?«
Mamma Carlotta lächelte insgeheim. Auch Geraldine nannte also den
Sisalläufer nicht bei seinem Namen.
»Besser, sie bleiben im Hintergrund«, meinte Wilko Tadsen. »Während
deiner kleinen Ansprache geht es vor allem um Yvonne, um ihre Mode, um das
Andenken, das du für sie schaffen willst. Da sollte alles andere im Hintergrund
bleiben.«
Geraldine nickte zufrieden. »Dann fangen wir mit der jungen Mode
an.« Sie stockte und sah Wilko ratlos an.
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