Flammen im Sand
in Käptens Kajüte ging.
Der Strandwärter Fietje Tiensch war mal wieder der einzige Gast in
der Imbiss-Stube. Und der Geruch, der aus der Küche kam, lieà vermuten, dass
Tove noch immer darauf hoffte, seinen Grünkohl an den Mann zu bringen.
»Moin, Signora!«, rief Fietje erfreut.
Die grünen Fäden in seinem struppigen Bart zeigten, dass Fietje
kritiklos alles zu sich nahm, wenn es umsonst war, sogar Toves Grünkohl, der
nun mindestens zum dritten Mal aufgewärmt wurde. Dass er dafür genauso wenig
zahlen musste wie neuerdings für sein Jever, davon war Mamma Carlotta überzeugt.
Auch Fietje würde nicht glücklich sein, wenn Schluss war mit dem Verkauf von
Luxusuhren, was Mamma Carlottas Auftrag nicht leichter machte.
Sie schwang sich auf einen Barhocker, was sie inzwischen sehr gut
beherrschte, legte die Unterarme auf die Theke und zeigte sowohl Tove als auch
Fietje ihr Gesicht. »Merken Sie was?«
Tove glotzte sie an und schüttelte den Kopf. »Nase, Mund, zwei
Augen! Alles wie immer!«
Aber Fietje bewies, dass es für ihn einmal eine Zeit gegeben hatte,
in der er Frauenherzen erobern konnte. »Wunderbar sehen Sie aus, Signora! Waren
Sie beim Friseur?«
Knapp vorbei war in diesem Fall beinahe wie ein Schuss ins Schwarze.
SchlieÃlich hatte die Kosmetikerin sich auch um Mamma Carlottas Frisur
gekümmert, damit das Make-up gut zur Geltung kam. Dass von ihren Bemühungen
noch etwas übrig war, nachdem Mamma Carlotta den Weg von Westerland nach
Wenningstedt bei eiskaltem Ostwind zurückgelegt hatte, konnte sie sich nicht
vorstellen, aber Fietje hatte zumindest im Prinzip erkannt, worauf es ankam.
Und als sie auf ihre getuschten Wimpern hinwies, behauptete er, ohne zu zögern:
»Ich habe gleich gemerkt, dass sie heute gucken wie die Loren, jawoll.«
Tove dagegen schien nicht zu wissen, wovon die Rede war, und glotzte
Mamma Carlotta noch immer ins Gesicht. Als sie abwinkte und ihm zu verstehen
gab, dass er sich keine Mühe geben müsse im Erfinden falscher Komplimente, ging
er erleichtert in die Küche und holte die Flasche mit dem Rotwein aus
Montepulciano. Ihrem Hinweis, dass für den Genuss von Alkohol eigentlich erst
die Sonne untergegangen sein müsse, begegnete er mit der Behauptung: »Auf Sylt
ist das anders. Und bei diesem Wind erst recht. Heute Nacht wird ein Sturm
kommen. So was ist ohne Alkohol gar nicht auszuhalten.«
Mamma Carlotta war sofort überzeugt. »Wenn das hier so üblich ist â¦Â«
Auf keinen Fall wollte sie sich örtlichen Gepflogenheiten entgegenstellen. Das
war ja beinahe so, als verirrte sich ein deutscher Tourist in ihr Dorf und
verlangte dort nach Sauerkraut und Eisbein. Solchen Menschen begegnete man in
ganz Italien mit Verachtung, und so ein Fehler sollte ihr nicht passieren! Und
auÃerdem würde ihr die Mission, die sie in Käptens Kajüte zu erfüllen hatte,
mit einem Glas Rotwein sicher leichter fallen.
Gedankenverloren wischte sie die Lippenstiftspuren vom Glas, ehe sie
sagte: »Jannes Pedersen ist gerade verhaftet worden.«
Toves Erschrecken war der Beweis, den sie gar nicht mehr brauchte,
und dass Fietje das Jever-Glas zum Munde führte und es wieder absetzte, ohne
getrunken zu haben, zeigte, dass auch ihn Pedersens Schicksal erschütterte.
Nicht jedoch, weil ihm der Fahrradhändler am Herzen lag, sondern weil er dem
Ende der schönen Zeit entgegensah, in der er in Käptens Kajüte essen und
trinken konnte, ohne zu bezahlen.
»Wegen Mordes«, ergänzte Mamma Carlotta und beobachtete die
Erleichterung in beiden Gesichtern.
»Hat er seine Frau umgebracht?«, fragte Tove.
»Scheint so«, antwortete Mamma Carlotta. »Und seine Lebensgefährtin
auch.«
»Wissen Sie das ganz genau?«, hakte Tove nach.
Mamma Carlotta nickte. »Ich habe gesehen, wie er abgeführt wurde.
Und sein Gebrüll war im ganzen Hause zu hören.«
Stille trat ein. Fietje nuckelte an seinem Jever, Tove rührte im
Kartoffelsalat. Eine Fliege kreiste über dem Grillgut und lieà sich schlieÃlich
auf einer Frikadelle nieder, ohne daran gehindert zu werden. Dann warf Tove
Griess mit einem Mal den Löffel in den Kartoffelsalat und richtete sich auf.
»Wenn Ihr Schwiegersohn jemanden verhaftet, dann muss er Beweise haben.«
»Certo«, erwiderte Mamma Carlotta. »Enrico kennt das Gesetz.«
»Wenn Jannes Pedersen ein Mörder
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