Flammen im Sand

als
von einer Fischverkäuferin, der es nicht um ihr Wohl, sondern nur um das gute
Geschäft ging.
    Der Fischladen hätte nur einen einzigen Vorteil gehabt: Man hätte
Erik und Sören schweigend essen lassen. So aber mussten sie sich anhören, dass
Geraldine Bertrand, bevor sie abgeführt worden war, ihren Models aufgetragen
hatte, die Generalprobe ohne sie durchzuführen, da es so gut wie sicher sei,
dass die Modenschau stattfinden werde.
    Â»Signora Bertrand sagt, sie hat mit den Uhren nichts zu tun. Und das
stimmt natürlich«, erklärte Mamma Carlotta. »Also wird sie morgen wieder frei
sein. Spätestens!«
    Â»Woher willst du das wissen?«, fragte Erik.
    Diese Frage überhörte Mamma Carlotta geflissentlich und führte
stattdessen aus, dass Wilko Tadsen versprochen habe, die Generalprobe zu
leiten. »Er war ja dabei, als wir das letzte Mal geprobt haben, und weiß,
worauf es ankommt. Er hat sogar einen Ablaufplan geschrieben.« Wie immer, wenn
sie ein neues Wort gelernt hatte, ließ sie es auf der Zunge zergehen.
»Ablaufplan! Davon habe ich noch nie gehört. Aber so was ist sehr praktisch.
Dann weiß jeder, was er zu tun hat, und wer es nicht weiß, kann im Ablaufplan
nachsehen.« Wieder blickte sie auf die Uhr, während Kirsten und Frau Kemmertöns
den Versuch machten, einen Gesprächsbeitrag zu leisten, was ihnen jedoch nicht
gelang. »Wo Carolina nur bleibt! Sie will den Ablaufplan mitbringen.«
    Ehe Erik sich erkundigen konnte, warum seine Tochter noch nicht zu
Hause war, bekam er schon zu hören, dass Carolin und Vanessa einer Drogerie in
Westerland einen Besuch abstatteten, wo es einen angesagten pinkfarbenen
Lippenstift gab. Und bevor er fragen konnte, wann die Generalprobe stattfinden
sollte, erfuhr er schon, dass die Models sich am Abend im Modeatelier treffen
wollten, wenn der Baumarkt Tadsen geschlossen war und der Besitzer Zeit für sie
hatte. »Kann sein, dass Signora Bertrand dann schon wieder zurück ist«, sagte
Mamma Carlotta und führte ihre beiden Besucherinnen zur Tür, denen gerade
eingefallen war, dass es in ihrem Haushalt noch einiges zu tun gab. Als Mamma
Carlotta in die Küche zurückkam, sagte Erik: »Du solltest dich nicht darauf
verlassen, dass die Modenschau stattfindet.«
    Â»Allora, Enrico! Signora Bertrand hat nichts mit diesen komischen
Uhren zu tun. Völlig unmöglich!«
    Â»Woher willst du das wissen?«
    Â»Das fühle ich!«
    Erik betrachtete sie kopfschüttelnd. »Fühlst du auch, wer Elske
Pedersen und Yvonne Perrette umgebracht hat?«
    Dass seine Schwiegermutter sehr ernst wurde, entging ihm, weil er
genug damit zu tun hatte, eine Auberginenscheibe auf den Teller zu bugsieren,
ohne dass Öl auf seine Hose tropfte.
    Â»Hast du schon mal an Signora Tadsen gedacht?«
    Nun war es doch passiert! Ein dicker Ölfleck auf der Breitcordhose,
die er besonders liebte, weil sie so außerordentlich bequem war. Verärgert sah
Erik seine Schwiegermutter an. »Hast du vergessen, dass Marikke Tadsen im
Rollstuhl sitzt?«
    Â»No! Aber du hast anscheinend vergessen, was Dottore Hillmot gesagt
hat: Signora Perrette wurde erschlagen, als sie sich bückte.«
    Erik starrte seine Schwiegermutter an. »Du meinst …« Weiter kam er
nicht, weil er den Gedanken derart abwegig fand, dass er sich weigerte, ihn zu
Ende zu denken. »Was für ein Unsinn! Und außerdem: Welches Motiv sollte sie
haben?«
    Mamma Carlotta sah an ihm vorbei, als interessierte sie das Gespräch
nur am Rande. »Geld ist immer ein Motiv.«
    Â»Bei Yvonne Perrette ist kein Geld im Spiel.«
    Â»Vielleicht Eifersucht?« Noch immer sah Mamma Carlotta ihn nicht an,
sondern schaute aus dem Fenster, als redeten sie über den Sturm.
    Â»Deine Intuition war auch schon mal besser.«
    Aber ehe Mamma Carlotta ihr Bauchgefühl und ihre Menschenkenntnis verteidigen
konnte, kam Carolin nach Hause. In Händen hielt sie eine Plastiktüte, die sie
Sören mit einem verheißungsvollen Lächeln entgegenstreckte. »Das Hemd ist fertig!«
    Sören nahm die Tüte mit einer Miene entgegen, die sowohl
Ergriffenheit als auch Angst ausdrücken konnte. Und die Bedächtigkeit, mit der
er das Hemd auspackte und auseinanderfaltete, konnte Rührung, aber auch Sorge
sein. Da Mamma Carlottas Blick sowohl Aufmerksamkeit als auch eine deutliche
Warnung verriet, ließ Sören