Flammen im Sand
ihre
Schwester anzeigen!« Sören lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Aber wir
können die Bertrand ja nicht verhören! Die Staatsanwältin hat sie in den
Krallen wegen dieser blöden Uhrensache!«
Bis zur Einmündung in den Süder Wung herrschte Schweigen zwischen
ihnen. Erst als Erik den Blinker setzte, sagte Sören: »Jetzt kann uns nur noch
eine gute Pasta retten.«
Erik lächelte. »Ich könnte mir sogar vorstellen, dass uns nach einem
Tiramisu und einem guten Espresso ein genialer Gedanke kommt, mit dem wir den
Fall heute noch lösen können.«
Der Wind riss ihm die Fahrertür aus der Hand, kaum dass er sie
geöffnet hatte. Er war noch damit beschäftigt, sie ins Schloss zu drücken, als
Sören schon gebückt auf die Haustür zulief. Erik folgte ihm langsam und schloss
die Tür auf. Der Wind folgte ihnen und jaulte noch hinter ihnen her, als die
Tür schon ins Schloss gefallen war.
»Hei«, nuschelte Felix, der gerade die Treppe hochstieg, ein
Brötchen in der linken, eine tropfende Zucchinischeibe in der rechten Hand.
»Mangiare Fehlanzeige!«
Ehe Erik sich nach dem Sinn dieser Worte erkundigen konnte, merkte
er, dass etwas anders war als sonst. Kein Duft von Olivenöl, von geschmorten
Tomaten, Knoblauchzehen oder krossem Schinken drang aus der Küche, kein
geschäftiges Klappern, kein fröhliches Summen, das darauf schlieÃen lieÃ, dass
die Köchin mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zufrieden war. Nur der Duft von
Espresso zog in die Diele, was eindeutig der gewohnten Reihenfolge widersprach.
Auch die Geräuschkulisse bot nicht das, was Erik erwartet hatte. Die
Stimmen von mindestens drei Frauen waren zu hören, die alle gleichzeitig
redeten. So, als wäre die Küche voller Italienerinnen. Erik fürchtete schon,
Besuch aus Umbrien sei eingetroffen, aber neben seiner Schwiegermutter saÃen
nur Frau Kemmertöns und eine Frau, die er nicht kannte. Zwar waren Erik auch
manche der Personen fremd, die angeblich zu seiner angeheirateten Verwandtschaft
zählten, aber in diesem Fall war er sicher, dass er eine Friesin vor sich
hatte. Kirsten, das andere Model für die Mode der reifen und molligen Dame,
grüÃte mit einem so leidenschaftslosen »Moin!«, dass es keinen Zweifel gab.
Mamma Carlotta warf einen nervösen Blick zur Uhr. »Schon so spät? Mi
dispiace, Enrico! Ich bin nicht zum Kochen gekommen. Wir müssen die
Generalprobe besprechen.«
Erik betrachtete den Tisch. Neben den Espressotassen standen mehrere
Teller, auf denen sämtliche Antipasti angerichtet waren, die eigentlich bis zu
Mamma Carlottas Abreise reichen sollten. »Macht nichts«, sagte er matt. »Wir
können uns ja ein Fischbrötchen holen.«
Er sah seinen Assistenten an, damit er zustimmte, aber Sören
betrachtete die marinierten Paprikaschoten, als wollte er sagen: Wenn schon
kein Pasta, dann wenigstens Antipasti. Zwar gab Erik ihm im Prinzip recht, aber
ihm war gerade wieder eingefallen, dass seine Schwiegermutter nicht mehr auf
der Höhe war, dass sie vielleicht sogar vergessen hatte, das Mittagessen
zuzubereiten und nun versuchte, sich rauszureden. Besser, sie übten keinen zusätzlichen
Druck aus, indem sie sich an den Tisch setzten und verrieten, dass sie hungrig
waren.
Im nächsten Augenblick allerdings zweifelte Erik schon wieder daran,
dass Mamma Carlotta ihre Leistungsfähigkeit verloren hatte. »Fischbrötchen?«,
fragte sie so angewidert, als hätte er von Grünkohl und Mettwürsten gesprochen.
»Glitschige Heringe zwischen zwei Brötchenhälften?« Sie sprang so behände auf,
wie Erik es nicht einmal fertiggebracht hätte, wenn sein Haus in Flammen
stünde. »So was Schreckliches könnt ihr essen, wenn ich in Umbrien bin!«
In Windeseile holte sie alles aus dem Kühlschrank, was ohne weitere
Zubereitung auf den Tisch zu bringen war: Schinken, Käse, Oliven und Salami,
die sie in einem Tempo auf einem groÃen Teller anrichtete, als wollte sie Eriks
Sorgen um ihre Leistungsfähigkeit ad absurdum führen. Im Vorrat fanden sich
sogar noch ein paar Grissini und im Backofen einige Panini, sodass Erik und
Sören schon nach wenigen Minuten etwas vor sich stehen hatten, was nicht nur
ihren Mägen, sondern auch ihren Seelen guttat. Es war doch etwas ganz anderes,
von einer fürsorglichen Hausfrau etwas auf den Teller gelegt zu bekommen
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