Flammen im Sand
einen langen Blick zu, dann holte er schweigend die
Rotweinflasche aus dem Vorrat und schenkte Mamma Carlotta ein, ohne sie
anzusehen. Man hätte sogar meinen können, er fürchtete sich vor ihr. Dabei war
er doch mal als Kapitän zur See gefahren und hatte sich vor Gibraltar angeblich
sogar als Einziger schwimmend an Land gerettet, nachdem sein Schiff gesunken
war. Jetzt jedoch sah er so aus, als wäre er lieber auf der Titanic als im
Angesicht von Mamma Carlottas Zorn.
Sie sah ihn herausfordernd an. »Was ist? Wollen Sie sich nicht
bedanken? Ohne mich säÃen Sie jetzt im Gefängnis.«
Tove schien nicht zu wissen, ob er nicken oder den Kopf schütteln
sollte. »Ja, schon, aber â¦Â«
»Und Sie könnten sich auch bei mir
bedanken!«, fuhr Mamma Carlotta Fietje an. »Sie wären nämlich als Mitwisser
gleich mitverhaftet worden! In Zukunft müssen Sie also Ihr Jever wieder
bezahlen. Ist das vielleicht zu viel verlangt?«
Fietje sah aus, als hätte er gern genickt, schien sich aber nicht zu
trauen.
»Und Sie!« Carlotta zeigte auf Tove, der vorsichtig Richtung
Fritteuse zurückwich. »Sie werden mich nicht fragen, woher ich von den Uhren
wusste! Capito tutto? Und Sie sind mir gefälligst dankbar, dass die Uhren nun
dort sind, wo sie hingehören.«
Tove, der der Meinung war, dass die Uhren in seinen Vorratsraum
gehörten, sah sie fragend an.
»Bei der Polizei!«, rief Mamma Carlotta. Dass Tove über diese
Auskunft nicht glücklich war, blieb ihr nicht verborgen. Umso energischer
pochte sie auf die Theke. »Aber nun ist eine Falsche in Verdacht geraten! Damit
habe ich nicht gerechnet! Und weil Sie eigentlich schuld sind, werden Sie mir
jetzt helfen, Geraldine Bertrand zu befreien.«
Sie kippte den Rotwein hinunter, was Tove und Fietje eigentlich die
Gelegenheit zu einem Einwand gegeben hätte. Aber noch waren sie beide viel zu
beeindruckt von Carlottas Zorn, um ihre Vorwürfe zurückzuweisen.
»Ich habe Ihnen geholfen! Also werden Sie mir auch helfen!« Mamma
Carlotta knallte das Glas auf die Theke zurück und sah Tove so scharf an, dass
er einen weiteren Schritt Richtung Fritteuse machte.
»Wie denn?«, fragte er nun immerhin.
»Indem Sie meinem Schwiegersohn sagen, dass Geraldine Bertrand
nichts mit den Luxusuhren zu tun hat!«
»Ich soll mich selbst ans Messer liefern?« Tove stieà nun mit dem
Rücken an die Fritteuse und zuckte erschrocken zurück. »Dann hätten Sie die
Uhren auch in meinem Vorratsraum liegen lassen können. Das Ergebnis wäre das
gleiche gewesen.«
Damit hatte er zweifellos recht. Und da diese Erkenntnis schon eine
geraume Weile hinter Carlottas Stirn gelauert hatte, gab sie sich geschlagen.
»Aber wir können nicht zulassen, dass Geraldine Bertrand für etwas den Kopf hinhält,
was sie nicht getan hat!«
»Das wird sich herausstellen«, wagte Tove zu behaupten. »Früher oder
später. Ihr Schwiegersohn ist ein kluger Mann!«
Dass dieser Hinweis eine klare Bestechung war, erkannte Mamma
Carlotta nicht, weil sie vollauf mit der Erkenntnis beschäftigt war, dass durch
ihre Schuld etwas in die falsche Richtung losgegangen und nicht wieder in die
richtige zu lenken war. Eine deprimierende Einsicht für eine Frau, die bisher
stolz darauf war, im passenden Augenblick intuitiv das Richtige zu tun, auch
wenn es oft zunächst so aussah, als wäre es das Falsche.
Fietje schien zu spüren, dass Mamma Carlotta Aufmunterung brauchte.
»Wenn einer Frau von allen Seiten was untergejubelt wird, dann hat sie es
vielleicht verdient. Das kann kein Zufall sein, dass jeder glaubt, ein
Verbrechen passt zu ihr.«
»Ich habe ihr nichts unter ⦠wie heiÃt das?«
»Gejubelt.«
»Aber jubeln ist doch â¦Â« Mamma Carlotta deutete mit ein paar
sambaähnlichen Hüftbewegungen an, dass sie etwas vom Jubeln verstand, reimte
sich dann aber den Sinn von Fietjes Worten zusammen. »Ich habe ihr nichts untergejubelt«,
sagte sie empört. »Jedenfalls wollte ich es nicht.«
»Die andere Frau wollte es aber.«
»Welche andere Frau?«, fragte Tove.
»Die im Rollstuhl.«
»Marikke Tadsen?« Mamma wehrte das zweite Glas Rotwein nicht ab, das
Tove ihr einschenkte, weil er froh war, dass das Gespräch sich nicht mehr auf
ihn konzentrierte.
Fietje nickte, ohne den Blick aus seinem Jever zu nehmen. »Ich
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