Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman
sagst oder tust, geht nur
dich etwas an, aber in meinem Hause wirst du dich meinen Gästen gegenüber höflich verhalten, ganz gleich, ob du sie als deine Freunde ansiehst oder nicht.« Seine Stimme klang müde. Seinen Worten, in denen eine unsagbare Verachtung mitschwang, war anzumerken, dass er sich verletzt fühlte.
Mit hochrotem Gesicht wandte sich Denoon ihm zu. »Die Sache ist zu wichtig, als dass man mit aristokratischem Feingefühl darüber hinweggehen könnte, Sheridan. Wir können es uns nicht erlauben, auf Eitelkeiten und Launen oder darauf Rücksicht zu nehmen, dass jemand als Menschenfreund angesehen werden möchte. Geldspenden sind schön und gut. Sie sorgen dafür, dass wir uns großartig vorkommen und von der Öffentlichkeit bewundert werden. Aber sie lösen das Problem nicht. Weder verhindern sie, dass ein einziger Sprengsatz weniger gezündet wird, noch erreicht man durch sie, dass ein Anarchist gefasst wird. Wir brauchen Unterstützung im Unterhaus, schärfere Gesetze sowie mutige und entscheidungsfreudige Männer in wichtigen Positionen, in denen sie Gutes bewirken können.« Er sah so beiläufig zu Vespasia hin, als sei sie ein Dienstmädchen mit einem Tablett in den Händen. »Es war nicht meine Absicht, Lady Vespasia zu kränken, aber hier geht es um eine ernsthafte Angelegenheit, die keine Einmischung von Dilettanten duldet. Zu viel steht auf dem Spiel. Wir brauchen Albemerle, und dafür sind wir auf Sie angewiesen! Geben Sie Ihre Überempfindlichkeit auf, und schließen Sie sich uns an!« Möglicherweise ohne es zu merken, tat er einen Schritt auf Cordelia zu, als teile er ihre Empfindungen, die sie seit Vespasias Eintreten zwar nicht geäußert hatte, die aber auf ihrem Gesicht erkennbar waren.
Ohne auf die drei Frauen zu achten, sah ihn Sheridan an.
»Du bist ein Dummkopf, Edward«, sagte er betrübt. »Ein Narr aber, in dessen Händen so viel Macht liegt wie in deinen, ist so gefährlich, dass es dabei jedem Weisen bange wird. Du scheinst keine Vorstellung davon zu haben, auf welche Weise politische Entscheidungen entstehen. Ein Wort aus Lady Vespasias Mund, und Londons Türen öffnen oder schließen sich vor dir. Eine
gedankenlose Kränkung, eine herzlose Geste, und du läufst mit all deinen Bemühungen ins Leere, ganz gleich, wie reich du bist. Die Menschen müssen dich mögen, das aber kannst du weder erzwingen noch erkaufen.«
Denoons Gesicht war puterrot, doch er fand keine Worte zu seiner Verteidigung. Sheridans Offenheit hatte ihn so verblüfft, dass er schwieg. Augenscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Schwager zurückschlagen könnte.
Cordelia war fassungslos. Der Zorn verfinsterte ihr Gesicht, doch da es ihr in erster Linie um die Sache ging, sagte sie zu Vespasia gewandt: »Ich bitte für meinen Schwager um Vergebung. Sein Wunsch zu verhindern, dass es zu noch schlimmeren Gewalttaten kommt, ist der Grund dafür, dass er seine Zunge nicht im Zaum zu halten vermag – was ihn natürlich nicht entschuldigt.«
Vespasia erwog, schweigend darauf zu warten, dass Denoon selbst um Verzeihung bat. Mit Sheridans Verständnis durfte sie rechnen. Dennoch würde er sie möglicherweise nicht dafür bewundern, wenn sie darauf bestand, so sehr ihre Haltung gerechtfertigt wäre. Wichtiger aber als die alte Zuneigung war ihr, dass sie ein solches Verhalten selbst nicht bewundernswert fände. Die Triebfeder dafür wäre nichts als Selbstgerechtigkeit und Eitelkeit. Ihr lag mehr an der Sache, für die sie kämpfte, an ihrem Wunsch, den Gesetzesantrag scheitern zu sehen – und vielleicht auch an der inneren Würde, die darüber erhaben war, Schulden solcher Art einzutreiben.
»Die Notwendigkeit, in dieser Sache den gewünschten Erfolg zu erzielen, ist weit größer als unsere persönlichen Empfindungen«, sagte sie daher milde. »Wir müssen unsere Differenzen überwinden und nur Dinge tun, die uns weiterbringen. Ich bin überzeugt, dass ein kurzes Gespräch mit Lord Albemerle unter vier Augen Früchte tragen wird, denn sein Einfluss reicht sehr viel weiter, als allgemein bekannt ist. Ich bin bereit, mit ihm zu sprechen, wenn das Ihr Wunsch ist, kann es aber ebenso auch unterlassen, wenn Sie das für richtig halten.«
Enid sah sie verwirrt und unsicher an.
»Danke«, sagte Cordelia mit unverhüllter Erleichterung.
Sheridan entspannte sich.
Alle warteten darauf, dass Denoon etwas sagte.
»Natürlich«, stimmte er widerwillig zu. »Allerdings dürfte es nicht ausreichen,
Weitere Kostenlose Bücher