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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gewesen sein könnte. Ich hoffe, dass dein Mr Pitt das herausbekommt.«
    »Enid?«, flüsterte sie.
    »Ich glaube nicht. Aber es ist denkbar, dass sie dem Lakaien den Auftrag gegeben hat, es an meiner Stelle zu tun. Sie ist sehr viel … leidenschaftlicher, als Denoon – oder Cordelia – weiß. Ich bete, dass es sich nicht so verhält. Es wäre ein entsetzliches Unrecht, wenn sie den jungen Mann in eine solche Sache verwickelt hätte, aus welchen Gründen auch immer.«
    »Wenn sie befürchtet, dass du es warst, kann sie nicht wissen, dass er es getan hat«, gab sie zu bedenken.
    »Das ist mir klar«, sagte er mit einem gequälten, trübseligen Lächeln. »Vielleicht sehe ich vor Angst schon Gespenster. Du hattest wohl nie Angst.« Es war keine Frage.
    »O doch!«, sagte sie. »Auch heute noch. Ich kümmere mich nur nicht darum, weil ich sonst womöglich nicht die Kraft hätte, sie zu ertragen.«
    Er beugte sich plötzlich vor und küsste sie sanft auf den Mund. Dann öffnete er die Tür, und sie ging auf ihre wartende Kutsche zu.

    Charlotte war zu Hause, als es am Nachmittag an der Tür klingelte. Gracie öffnete und kam gleich darauf ganz aufgeregt mit der Mitteilung in die Küche, Mr Victor Narraway wolle mit ihr sprechen.
    Charlotte war verblüfft. »Hier?«
    »Ich hab ihn ins Wohnzimmer geführt«, sagte Gracie entschuldigend. »Er sieht schrecklich wütend aus.«
    Charlotte stellte das Bügeleisen hin, strich sich den Rock glatt, fasste sich mechanisch an die Haare, um den Sitz ihrer Frisur zu überprüfen, und ging dann ins Wohnzimmer.
    Narraway stand sehr aufrecht mit dem Rücken zum Kamin in der Mitte des Raumes. Er war tadellos gekleidet, und sein dichtes Haar war glatt gekämmt. Als er sich ihr zuwandte, wirkte sein Gesicht angespannt.
    »Sie haben heute Morgen Sir Charles Voisey in seinem Haus aufgesucht«, sagte er mit Schärfe in der Stimme. »Bitte ersparen Sie sich und mir die Peinlichkeit, das zu bestreiten.«
    Seine Überheblichkeit machte sie plötzlich wütend. »Warum um Himmels willen sollte ich, Mr Narraway?«, sagte sie hitzig. Lediglich weil er Pitts Vorgesetzter war, versagte sie es sich, hinzuzufügen, dass ihn das nichts angehe und sie sein Auftreten für unverschämt hielt. »Andererseits wüsste ich keinen Grund, warum ich Ihnen Rechenschaft ablegen müsste.«
    »Haben Sie vergessen, wer der Mann ist?«, stieß er förmlich zwischen den Zähnen hervor. »Wissen Sie nicht mehr, dass er sowohl Mario Corena als auch Reverend Wray auf dem Gewissen hat und mit großer Wahrscheinlichkeit versucht hat, auch Sie, Ihre Kinder und Ihr Mädchen aus dem Weg zu räumen?«
    »Natürlich ist mir das bewusst«, sagte sie aufgebracht. »Selbst wenn ich meine eigene Angst vergessen sollte, werde ich Mario Corena allein schon um Lady Vespasias willen nicht vergessen.« Über Mr Wray sagte sie nichts, denn ihr ging es in diesem Augenblick ausschließlich um Corena.
    »Was wollten Sie dort, Mrs Pitt?«, fragte er.
    Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie es ihm sagen sollte. Dann gewann ihre Unbeherrschtheit die Oberhand. »Ich dachte, Sie sind gegen den Gesetzentwurf, der der Polizei die Vollmacht geben soll, Bürger grundlos zu verhören oder Dienstboten ohne das Wissen ihrer Herrschaften zu befragen, Mr Narraway.«
    Er sah überrascht drein und war einen Augenblick lang unsicher. »Das bin ich auch.«
    »Gut.« Sie sah ihn unverwandt an. »Sir Charles vertritt den gleichen Standpunkt wie Sie.«
    »Das ist kein Grund für Sie, ihn aufzusuchen, Mrs Pitt! Er ist ein äußerst gefährlicher Gegner …« Er hob die Stimme, sprach mit mehr Nachdruck und größerem Zorn. »Halten Sie sich künftig fern von ihm. Haben Sie das verstanden?«
    »Alles, was Sie sagen, ist mir wohlbekannt, Mr Narraway«, sagte sie eisig, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er Recht hatte. Voiseys Gegnerschaft, was den Gesetzentwurf betraf, gab ihr keinen Grund, ihn aufzusuchen. »Allerdings scheinen Sie vergessen zu haben, dass mein Mann für Sie arbeitet – und nicht ich.« Sie holte tief Luft. »Oder drohen Sie mir etwa damit, dass Sie ihn dafür bestrafen werden, wenn ich nicht tue, was Sie wollen?«
    Er sah verblüfft drein. »Natürlich nicht!« Sein Gesicht verfinsterte sich. »Aber ich will nicht, dass er von seiner Arbeit abgelenkt wird, weil er sich Sorgen machen muss, dass seine verantwortungslose Frau sich in Gefahr bringt, indem sie sich in Angelegenheiten einmischt, die sie nichts angehen. Vermutlich

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