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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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darauf?«
    »Die beiden Anarchisten, die wir gefasst haben, haben mich
darauf gebracht«, gab Pitt zur Antwort und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. »Deswegen haben sie den Anschlag in der Myrdle Street verübt – zumindest behaupten sie das. Sie wollten das Haus in der Mitte zerstören – es gehört einem Beamten aus dem Revier Cannon Street. Wie es aussieht, sind sie im Umgang mit Dynamit nicht besonders erfahren, und so haben sie statt des einen Hauses mindestens drei in die Luft gejagt und fünf weitere so stark beschädigt, dass man sie abreißen muss.«
    Jack hob die Brauen. »Und du glaubst denen?« Er ging neben Pitt her.
    »Ursprünglich hatte ich Zweifel. Nachdem ich mich aber ein wenig umgehört habe, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sache zumindest teilweise auf Wahrheit beruht.«
    »Und der Rest?«
    »Das weiß ich noch nicht, bin aber entschlossen, es festzustellen.«
    »Wie weit reicht die Korruption?« Sie hatten das Ende der Terrasse erreicht und machten kehrt.
    »Bis ganz nach oben«, gab Pitt zur Antwort.
    Jack schwieg mehrere Minuten, weil er sah, dass sich einige Abgeordnete in Hörweite befanden. Zwei oder drei von ihnen sprachen Jack an, und er antwortete ihnen kurz, ohne Pitt vorzustellen.
    »Wen meinst du?«, fragte er schließlich, als er sicher sein durfte, dass niemand mehr nahe genug war, um hören zu können, was gesagt wurde.
    »Wetron in der Bow Street«, gab Pitt zur Antwort. »Auch Simbister in der Cannon Street. Ich weiß nicht, wer noch, aber Wetron ist auf jeden Fall der wichtigste.«
    Jack fragte nicht nach dem Grund für diese Einschätzung. Er wusste, dass Wetron an der Spitze des Inneren Kreises stand, seit Pitt ihm das im Zusammenhang mit den Vorfällen in Whitechapel mitgeteilt hatte.
    »Es heißt, die Polizei könne uns nicht vor Diebstahl oder willkürlicher Gewalt schützen, solange sie nicht mehr Leute hat.«
Jack blieb stehen und sah über die vom Wind aufgewühlte Wasserfläche hinweg. »Sie braucht angeblich mehr Schusswaffen zum Schutz ihrer Männer, und die Befürworter des Gesetzes bringen gute Argumente dafür vor. Bisher sind noch nicht viele Beamte im Dienst umgekommen, aber das kann sich ändern. Wir können nicht erwarten, dass die Polizei uns schützt, wenn wir ihr nicht die Mittel dazu in die Hand geben. Lass einen Beamten schwer verwundet werden, und es kommt zum öffentlichen Aufruhr. Ganz davon zu schweigen, dass eine ganze Anzahl von ihnen den Dienst quittieren wird. Die Leute haben Angst, und das mit Grund.«
    »Ich weiß.« Pitt lehnte sich an die Mauer des Gebäudes und sah zu, wie eine Fähre unter der Brücke von Westminster hindurchglitt. »Aber Schusswaffen würden die Lage nicht verbessern. Sie würden lediglich dafür sorgen, dass alles noch schlimmer wird. Wenn man der Polizei zu viel Macht einräumt, werden einige diese früher oder später missbrauchen. Zwischen ihr und der Bevölkerung, deren Bestandteil sie sein soll, wird sich eine Kluft auftun.«
    Jack kaute auf seiner Unterlippe herum. »Man munkelt, dass es noch schlimmer kommen soll«, sagte er unglücklich. »Ich weiß aber nicht genau, was geplant ist.«
    »Noch schlimmer?« Pitt war entsetzt. »Was könnte schlimmer sein als eine mit Schusswaffen ausgerüstete korrupte Polizei, die obendrein die Vollmacht hat, jeden zu durchsuchen, ohne dass sie das zu rechtfertigen braucht? Das kommt doch der Erlaubnis gleich, eine Privatarmee auf die Beine zu stellen.«
    »Ich weiß es nicht genau. Man hat gerüchtweise von einem Zusatzartikel zu dem Gesetz gehört, aber niemand ist bereit, Genaueres darüber zu sagen. Doch ich bin überzeugt, dass etwas in der Art existiert. Es würde mich jedenfalls nicht wundern.« Er richtete sich auf und sah Pitt an. »Es gibt mancherlei Befürchtungen, Thomas. Die Leute haben Angst vor Veränderungen, vor Gewalttaten wie auch davor, dass sie durch Tatenlosigkeit verlieren, was sie besitzen. Angst ist ein schlechter Ratgeber, denn die
Menschen reagieren auf sie, ohne sich über die Folgen klar zu werden.«
    Mit bitterem Lächeln dachte Pitt an Welling, Carmody und Magnus Landsborough, den er nie kennen gelernt hatte. »Wie die Anarchisten, die mit Bomben gegen die Zustände vorgehen wollen, ohne überlegt zu haben, was sie an deren Stelle setzen können.«
    »Haben sie das gesagt?« Jack machte ein fragendes Gesicht.
    »Überrascht dich das?«
    »Kommt ganz darauf an. Der bisherige theoretische Ansatz der Anarchisten ist nicht sehr

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