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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einzustellen, weitreichendere Vollmachten zu akzeptieren, und all das, damit sich die Menschen wieder sicher fühlen können. Sobald er all das bekommen hat, wird er das Verbrechen gleichsam über Nacht ausmerzen und als Held dastehen.«
    »Und Sie wollen, dass ihm dabei jemand in den Arm fällt«, sagte Pitt, dem klar war, wie sehr Voisey den Mann hassen musste, der im Handstreich die Position eingenommen hatte, aus der er selbst vertrieben worden war.
    Voiseys Gesicht wirkte nahezu ausdruckslos; er verwendete alle Willenskraft darauf, seine Empfindungen zu verbergen. »Sie wollen das doch auch«, sagte er leise. »Falls er Erfolg hätte, wäre er einer der mächtigsten Männer im Lande. Man würde ihn als denjenigen feiern, der London vor Gewalttat und Chaos gerettet hat, als den, der dafür gesorgt hat, dass die Leute wieder ungefährdet durch die Straßen gehen und ruhig schlafen können, ohne Explosionen, Raubüberfälle, den Verlust des eigenen Heims oder Unternehmens befürchten zu müssen. Wenn er dann den Ehrgeiz hätte, Polizeipräsident zu werden, brauchte er es nur zu sagen.« Voiseys Augen blitzten vor Wut, und sein Abscheu war so übermächtig, dass er ihn nicht länger aus seiner Stimme heraushalten konnte.
    »Dann würde er über eine Privatarmee von Polizeibeamten verfügen. Niemand könnte ihm mehr in seiner Position gefährlich werden. Er würde fortfahren, Gelder aus dem organisierten Verbrechen zu beziehen, und sich dafür bezahlen lassen, dass er
diesen Elementen insgeheim gestattet, ihre Erpressung ungehindert fortzuführen. Sollte ein Bürger wagen, sich zu widersetzen oder zu protestieren, würde man ihn auf der Straße festnehmen, sein Haus durchsuchen und dabei feststellen, dass er dort Hehlerware verborgen hält. Dann wäre er in null Komma nichts im Gefängnis, und seine Familie stünde mittellos da.«
    Ein offener Landauer kam vorüber, mit jungen Frauen in pastellfarbenen Kleidern, die Sonnenschirme in der Hand hielten. Lachend riefen sie Bekannten etwas zu, die sie auf der Straße sahen.
    »Niemand würde einem solchen Menschen zu Hilfe kommen«, fuhr Voisey fort, ohne auf sie zu achten, »denn längst wäre jeder zum Schweigen gebracht worden, der die Macht hätte, etwas zu unternehmen. Kein Polizeibeamter würde einem anderen trauen, da die Hälfte von ihnen ohnehin Wetrons Spießgesellen wären. Allerdings wüsste niemand, welche Hälfte. Die Regierung ihrerseits würde dem Treiben tatenlos zusehen, dankbar dafür, dass im Lande Ruhe herrscht. Wollen Sie das, Pitt? Oder ist Ihnen diese Vorstellung ebenso zuwider wie mir? Es ist mir gleich, welche Gründe Sie dafür haben.«
    Pitts Gedanken jagten sich. War das denkbar? Gewiss, Wetrons Ehrgeiz war grenzenlos – aber gingen seine Vorstellungskraft und seine Dreistigkeit so weit, dass er derlei planen konnte? Die Antwort war ihm klar, kaum dass er sich die Frage gestellt hatte: Unbedingt.
    Voisey sah, was in Pitt vorging, und er entspannte sich allmählich. Die Panik schwand aus seinen Augen.
    Es war Pitt alles andere als recht, von Voisey so leicht durchschaut worden zu sein, doch noch weniger wäre es ihm recht gewesen, wenn dieser angenommen hätte, das Ganze werde ihn kalt lassen, oder, schlimmer noch, zwar liege ihm daran, etwas zu unternehmen, doch fehle ihm der Mut dazu.
    »In dem Fall sollten Sie sich mit mir verbünden«, sagte Voisey leise. »Helfen Sie mir zu beweisen, was Wetron tut, und gebieten Sie seinem Treiben Einhalt!«
    Pitt zögerte. Ihrer beider Hass aufeinander schien unüberwindlich.
    »Was ist Ihnen wichtiger?«, drängte Voisey. »Ihre Liebe zu London und seinen Bewohnern oder Ihr Hass auf mich?«
    Man hörte eine Kapelle, die eine Tanzmelodie spielte. Auf einem Ausflugsdampfer lachten Menschen und riefen einander zu. Irgendwo in der Ferne spielte eine Drehorgel ein beliebtes Lied. Der Wind riss einer jungen Frau den Hut vom Kopf, dass die Bänder flogen.
    »Für Hass ist hier kein Platz«, sagte Voisey. »Ich traue Ihnen – zumindest insoweit, als ich weiß, dass man sich auf Sie verlassen kann. Überlegen Sie es sich. Ich habe einen Sitz im Unterhaus, und ich kenne den Inneren Kreis. Gemeinsam können wir mehr erreichen als Sie oder ich allein. Überlegen Sie, was Ihnen wichtig ist, Pitt. Denken Sie an den Spruch ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹ – jedenfalls so lange, bis die Schlacht vorüber ist. Denken Sie darüber nach. Wir können uns morgen noch einmal treffen. Sagen Sie mir dann Ihre

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