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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zu blinzeln, als habe ihn seine eigene Rührung übermannt. »Es war der bedeutendste Sieg in unserer Seefahrtsgeschichte. Obwohl unser Land vor der Invasion bewahrt blieb, kehrte die Flotte mit auf Halbstock gesetzten Flaggen zurück, wie nach einer Niederlage.« Seine Stimme klang belegt, und er vermied es, Pitt anzusehen.
    Zwar war Pitt entschlossen, seinen Hass auf Voisey nie zu vergessen, denn das konnte er sich nicht erlauben, doch sah er sich jetzt mit in die Tragödie von Kampf, Ruhm und Verlust hineingezogen, ob er das wollte oder nicht. Er durchschaute Voiseys Absicht. Ganz bewusst wollte dieser ein Band zwischen ihnen schaffen und Pitt auf diese Weise dazu bringen, dass er seinen Argwohn fahren ließ. Wenn er sich dem entzog, würde er sich damit selbst herabsetzen und verleugnen. Man hätte glauben können, der Mann ziehe die Fäden wie ein Puppenspieler, der seine Figuren nach Belieben bewegt.
    Schließlich brach Voisey das Schweigen.
    »Hat Ihnen Radley gesagt, dass Tanquerays Gesetzesantrag durchkommen wird?«, erkundigte er sich.
    Pitt verbarg seine Überraschung darüber, dass Voisey bereits Kenntnis von seinem Gespräch mit Jack hatte. »Ja«, sagte er. »Auch dass man kaum mit Widerstand dagegen rechnen darf. Wir müssen weit umsichtiger als bisher vorgehen, wenn wir das Ruder noch herumreißen wollen.« Er hatte die seemännische Redensart unabsichtlich benutzt.
    Obwohl ein Anflug von Belustigung Voiseys Lippen umspielte, sah Pitt, dass er die Fäuste geballt hatte, sodass die Knöchel weiß hervortraten. »Das klingt wie eine Niederlage«, sagte er. Die Symbolik des Ortes, an dem sie sich befanden, war beiden bewusst. Auch das entsprach Voiseys Absicht.
    »Es sollte eher wie eine Mahnung zur Vorsicht klingen«, gab Pitt zur Antwort. »Ich glaube, auch wir sind der Gegenseite an Feuerkraft und Zahl unterlegen, zumindest im Augenblick. Wenn wir den Sieg erringen wollen, ist mehr nötig als tapfere Worte und leider auch mehr als nur das Bewusstsein, der gerechten Sache zu dienen.«
    Voisey hob die Brauen ein wenig. »Sie meinen, wir brauchen einen Nelson?« Ein angedeutetes Lächeln trat auf seine Züge. »Ist Narraway Ihrer Ansicht nach dieser Rolle gewachsen?«
    »Ich weiß noch nicht, wie weit ich ihn da mit hineinziehen möchte«, sagte Pitt.
    Mit breitem Lächeln und unübersehbar belustigt sagte Voisey: »Und ich dachte immer, Sie können ihn gut leiden! Sollte ich mich da irren?«
    »Das gehört nicht zur Sache«, gab Pitt nicht ohne Schärfe zurück. Voiseys Belustigung ärgerte ihn. »Ich kann auch mit Menschen zusammenarbeiten, die ich nicht gut leiden kann, wenn ich überzeugt bin, dass sie dasselbe Ziel verfolgen wie ich und tüchtig genug sind, die Aufgabe zu bewältigen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass Ihnen das bekannt ist!«
    »Gut«, sagte Voisey kaum hörbar. »Wenn Sie jetzt gesagt hätten, dass Sie mir vertrauen, hätte ich gewusst, dass Sie lügen, und
noch dazu schlecht. Aber Sie billigen mir zu, dass ich dasselbe Ziel verfolge wie Sie. Das muss genügen.«
    »Eins nach dem anderen«, bremste Pitt. Er stellte nicht die Frage, ob Voisey ihm vertraute oder nicht. In dieser Beziehung war der andere im Vorteil und wusste das auch. Pitt war an seine Werte gebunden, Voisey hingegen an nichts.
    »Was für ein Mensch ist dieser Tanqueray?«, fragte Pitt.
    Mit unverhohlenem Vergnügen sagte Voisey: »Ein schmieriger Charakter. Wer mit ihm zu tun hat, bekommt so fettige Finger, dass er sich die Hände anschließend gründlich waschen muss und trotzdem noch an allem kleben bleibt.«
    Unwillkürlich musste Pitt lächeln. »Und warum ist man dann auf ihn verfallen?«
    Erneut hob Voisey die Brauen. »Wollen Sie raten? Weil wir eine ganze Menge von Abgeordneten haben, denen bekannt ist, dass man mit Speck Mäuse fängt.«
    Pitt wusste, was er meinte. »Und auf wen können sich die Leute noch stützen?«
    »Auf viel zu viele«, sagte Voisey mit Bedauern in der Stimme. »Der Mächtigste von ihnen ist Dyer. Er redet so salbungsvoll, als sei er ein aus dem Amt gejagter Priester, und genauso sieht er auch aus. Ich würde ihm weder die Parteikasse noch meine Patentochter anvertrauen, wenn sie jünger als zwanzig wäre. Lord North hat über Gladstone gesagt, er habe nichts dagegen, dass dieser das Trumpfass im Ärmel halte, verwahre sich aber gegen dessen Behauptung, Gott habe es dahin getan. Genau so eine Figur ist Dyer – heiliger als der Papst persönlich!«
    Pitt wandte sich beiseite, damit

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