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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Voisey nicht sah, wie sehr ihn das erheiterte. Keinesfalls wollte er an ihm etwas sympathisch finden. Er entfernte sich einige Schritte von Nelsons Grabmal in die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Wer hat Magnus Landsborough auf dem Gewissen?«, fragte Voisey.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Pitt. »Aber ich möchte es herausbekommen. Warum liegt Ihnen daran? Geht es Ihnen nicht um die
Korruption in der Polizei? Das dürfte doch am ehesten Ihre Trumpfkarte im Unterhaus sein, wenn es gegen die anderen geht.«
    »Genau. Sind Sie denn sicher, dass das eine nicht eng mit dem anderen verknüpft ist?«
    »Nein. Aber es wäre ohne weiteres möglich.«
    »Ich muss es genau wissen«, sagte Voisey. »Ich möchte Beweise für eine systematische Korruption oder zumindest dafür, dass man mit sehr viel mehr rechnen muss, als bisher bekannt ist.«
    »Ich verstehe, was Sie brauchen, und mir ist auch klar, warum«, stimmte Pitt zu. »Ich kann das Material besorgen und es Jack Radley übergeben.« Er wandte sich wieder Voisey zu. »Was liefern Sie mir im Gegenzug, was er mir nicht geben könnte?«, erkundigte er sich.
    »Einzelheiten über den Inneren Kreis«, gab Voisey zur Antwort. Seine Stimme zitterte kaum wahrnehmbar. »Namen, Angaben darüber, wer wem welchen Gefallen schuldet.« Damit würde er zwar alle früheren Eide brechen, sich zugleich aber auch an all denen rächen, die sich gegen ihn gewendet und Wetron auf den Schild gehoben hatten. In ihm tobte ein wilder Aufruhr der Gefühle, in dem sich Frohlocken mit Besorgnis mischte. Er stand im Begriff, einen Schritt zu tun, von dem es kein Zurück gab. Falls ihm sein Vorhaben misslang, konnte es ihn den Kopf kosten.
    »Und in welchem Umfang sind Sie bereit zuzulassen, dass von diesen Angaben Gebrauch gemacht wird?«, fragte Pitt mit gesenkter Stimme. Weder sollten ihn Vorüberkommende hören, von denen theoretisch jeder jener geheimen Bruderschaft angehören konnte, noch wollte er, dass Voisey seiner Stimme anhörte, wie dringend er auf dessen Unterstützung angewiesen war.
    »Sie können sie alle nutzen, ausnahmslos«, gab Voisey zur Antwort. »Bis all das so tot ist wie die Männer, deren Gebeine hier unter Porphyr und Marmor begraben liegen.«
    »Ich verstehe.«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Voisey. »Aber Sie werden
im Laufe der Zeit dahinterkommen. Ich lasse Ihnen eine Nachricht zukommen, wenn ich Ihnen eine Mitteilung über die Vorgänge im Unterhaus zu machen habe. Sofern Sie bis dahin etwas in der Hand haben, sollten wir uns heute in einer Woche wieder hier treffen. Gehen Sie jetzt. Wir gehören nicht zusammen, sondern haben rein zufällig zum gleichen Zeitpunkt denselben Ort aufgesucht.«
    Pitt schluckte. Sein Mund war ausgedörrt. Er hätte gern eine scharfe und herabsetzende Äußerung getan, aber sein ganzes Denken war wie gelähmt von dem Bewusstsein, dass Voiseys zersetzender Hass nur ein Ziel kannte: Pitts Vernichtung. Er wandte sich um und ging auf die Treppe zu, die ihn empor in die Weite der Kathedrale und zurück in die Außenwelt führte.

KAPITEL 5
    Am selben Vormittag, an dem Pitt die St.-Paul’s-Kathedrale auf suchte, um mit Voisey zusammenzutreffen, rief Charlotte ihre Schwester Emily an und teilte ihr mit, sie würde gern zu ihr kommen, um mit ihr über eine ziemlich wichtige Angelegenheit zu sprechen. Daraufhin sagte Emily der Schneiderin und der Putzmacherin unter Hinweis auf einen wichtigen Termin telefonisch ab und blieb zu Hause.
    Sie empfing Charlotte in ihrem Boudoir. Unter einem Gemälde des Schlosses von Bamburgh mit dem Meer im Hintergrund standen ihr Stickrahmen und ein Korb mit Seidengarn in allerlei Farben.
    Emily trug ein Morgenkleid aus feinem Seidenmusselin in ihrer Lieblingsfarbe Blassgrün. Genau genommen war es nach der Mode des Vorjahres geschnitten, doch das wäre nur jemandem aufgefallen, der sich intensiv mit derlei Dingen beschäftigte. Solche Menschen waren schon im Bilde, wenn sie sahen, wie ein Rock fiel oder ein Ärmel sich bauschte, wo eine Perle oder eine Schleife angebracht war.
    An Emily waren die Jahre nahezu spurlos vorübergegangen. Noch mit Mitte dreißig war sie ausgesprochen schlank – sie hatte nur zwei Kinder geboren und nicht ein halbes Dutzend, wie so manche ihrer Bekannten –, und ihre Haut war von der alabasternen Zartheit der Naturblonden. Auch wenn sie keine wirkliche Schönheit war, besaß sie doch natürliche Eleganz und Charakter.
Vor allem aber wusste sie genau, was ihre Erscheinung

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