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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dass er überzeugt war, Pitt und die anderen würden vor einem solchen Verhalten nicht zurückschrecken. »Ich hätte das nie getan! Das wissen Sie!«
    »Das weiß ich«, gab Pitt zu. »Zumindest nicht mit eigener Hand. Aber es kann sein, dass Sie in dem Komplott mit drinstecken. Immerhin decken Sie den Täter, also muss man vernünftigerweise annehmen, dass Sie miteinander im Bunde stehen. Vielleicht haben Sie ihn sogar bezahlt …« Als er das Entsetzen in Wellings Augen sah, ging ihm auf, dass der Mann tatsächlich unschuldig war. »Ich meinte das mit der Strafe vorhin wegen des Polizeibeamten auf der Straße, auf den geschossen worden ist«, schloss er.
    »Er war aber … doch … nicht tot …« Wellings Gesicht war anzusehen, dass er seiner Sache nicht sicher war.
    Pitt widerstand der Versuchung, die Unwahrheit zu sagen. »Nein, aber das war nicht Ihr Verdienst, sondern Glück. Sie haben versucht, ihn zu töten.«
    »Ich … ich …« Wellings Stimme versagte. Es gab nichts zu sagen, das von Bedeutung gewesen wäre.
    Pitt wartete und überlegte.
    »Sind Sie religiös?«, fragte er plötzlich.
    Welling war verblüfft. »Was?«
    »Ob Sie religiös sind«, wiederholte Pitt.
    Das verächtliche Lächeln trat wieder auf Wellings Züge. »Man muss nicht an Gott glauben, um eine Moral zu haben«, sagte er bitter. »In der Kirche findet man die größten Heuchler! Haben Sie eine Ahnung, was für Reichtümer die besitzen? Wie viele von denen das eine predigen und das genaue Gegenteil davon tun? Sie verurteilen Menschen, über deren Leben sie nicht das Geringste wissen und …«
    »Ich dachte nicht so sehr an Moral«, fiel ihm Pitt ins Wort. »Für Heuchler habe ich ebenso wenig übrig wie Sie. Ich habe mich nur gefragt, ob es für Sie eine Hoffnung auf etwas nach dem Tode gibt.«
    Welling wurde so weiß wie ein Laken. Mit einem Mal fiel ihm das Atmen schwer.
    »Sie sind noch jung«, fuhr Pitt freundlicher fort. »Sofern Sie mir helfen festzustellen, wer Magnus Landsborough umgebracht hat, und das zu beweisen, brauchen Sie nicht Ihr Leben und all das aufzugeben, was Sie künftig noch tun können. Die Tat lässt sich weder nach Ihren noch nach meinen moralischen Maßstäben rechtfertigen. Ich habe die Möglichkeit, Ihnen für die Schüsse auf den Polizeibeamten oder auch alles andere Straffreiheit zuzusichern, wenn Sie mithelfen.«
    Welling fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Woher weiß ich, dass Sie nicht lügen? Vielleicht ist der Polizist tot!«
    »Er lebt. In einigen Wochen wird er wieder Dienst tun. Die Kugel ist in seiner Schulter stecken geblieben und hat die Schlagader nicht getroffen.« Er nahm das Blatt Papier mit Narraways Zusage aus der Tasche und gab es Welling. Dieser nahm es und las es mit leicht zitternden Händen.
    »Und was ist mit Carmody?«, fragte er schließlich. »Ich…« Er musste sich räuspern. »Ich bin nicht bereit, meine eigene Haut zu retten, wenn er gehängt wird.«
    Pitt konnte nur vermuten, was es den jungen Mann gekostet
hatte, das zu sagen, und bewunderte ihn dafür. »Das brauchen Sie auch nicht«, versprach er. »Das Angebot gilt auch für ihn, wenn er sich ebenfalls zur Mitarbeit bereit erklärt. Jetzt sagen Sie mir alles, was Sie über Magnus Landsborough wissen, wer für die Position des Anführers – oder wie Sie ihn nennen – vorgesehen ist, und über den alten Herrn, der mit ihm gesprochen hat. Wie oft war das, wo, zu welchen Tageszeiten, und wie hat Magnus darauf reagiert?«
    Welling gab ihm alle Informationen, wägte aber jedes Wort sorgsam ab, denn er wollte sich nicht dazu verlocken lassen, etwas zu verraten, was er nicht zu sagen bereit war. Er kannte den Namen des Mannes nicht, von dem er annahm, dass er als neuer Führer an die Spitze der Gruppe treten würde, doch war deutlich, dass er Achtung vor ihm hatte. Ganz wie Magnus sprach er sich leidenschaftlich dagegen aus, dass Menschen andere beherrschten, und bezeichnete es als ungerecht. Er war voll Wut darüber, dass arme, gesundheitlich oder geistig benachteiligte Menschen nichts gegen ihr Schicksal unternehmen konnten, weil ausschließlich Geburt und gesellschaftliche Stellung darüber bestimmten, wer Anspruch auf Bildung hatte und wer nicht. Macht ohne Verantwortung war für ihn das höchste aller Übel, der Ausgangspunkt von Grausamkeit, Ungerechtigkeit und jeder Art von Schimpf, den Menschen einander antun können.
    Pitt sprach mit ihm lediglich darüber, mit welchen Mitteln er sich dagegen anzugehen

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