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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bemühte. Möglicherweise spürte Welling, dass er es gut mit ihm meinte, denn er sprach allmählich mit weniger Verachtung und drückte seine Hoffnung aus, ein größeres Maß an Gleichheit erreichen zu können.
    Pitt widersprach ihm nicht, als er seine Überzeugung vortrug, die menschliche Natur habe ebenso großen Einfluss auf die Gesellschaft wie jedes beliebige politische System. Einen Augenblick lang war er versucht gewesen zu argumentieren, doch dann erinnerten ihn die Kälte der Zelle und der Geruch der Luft an die dringliche Aufgabe, erst einmal gegen die Korruption und danach gegen Wetrons Machtbegierde zu kämpfen.
    Welling berichtete ihm auch von den Begegnungen Magnus’ mit dem älteren Herrn. Sie hätten einander etwa ein halbes Dutzend Mal getroffen. Das habe Magnus allem Anschein nach jedes Mal sehr aufgewühlt, doch sei er nicht bereit gewesen zu sagen, wer der Mann war oder was er wollte. Er habe nicht zugelassen, dass die anderen etwas Negatives über ihn sagten, mit ihm sprachen oder ihn aufforderten, nicht wiederzukommen. Bei den wenigen Gesprächen, deren Zeuge er von ferne geworden war, hätten sie sich offenkundig gestritten. Der alte Mann sei unübersehbar aufgebracht gewesen, aber niemand wisse genug, um zu sagen, worum es dabei gegangen sei, und Magnus habe es immer abgelehnt, mit ihnen darüber zu reden.
    Dann kam Pitt auf die Frage der Geldquelle für die Gruppe zu sprechen. Auf den ersten Versuch, etwas zu erfahren, reagierte Welling nicht, sondern verfiel in seine frühere Abwehrhaltung. »Es gibt keinen Grund, den Mann zu decken«, sagte Pitt beiläufig. »Wir wissen, wer er ist, und die Polizei weiß es ebenfalls.«
    Welling lächelte. »In dem Fall brauchen wir es Ihnen ja nicht zu sagen«, erklärte er.
    »Nein. Ich hätte den Punkt auch gar nicht angesprochen, wenn Sie nur die geringste Möglichkeit hätten, ihn zu warnen.«
    »Ach ja?« In Wellings Stimme lag wieder der frühere Zweifel.
    »Es ist Piers Denoon«, teilte ihm Pitt mit und sah die Betrübnis in Wellings Augen. Er brauchte keine weitere Bestätigung. Er erwog, ihn zu fragen, ob Magnus und Piers miteinander gestritten hatten. Unter Umständen hatte Magnus das doppelte Spiel seines Vetters durchschaut, der sowohl für die Anarchisten als auch für die Polizei arbeitete, und ihm sogar gedroht, die Polizei über sein Treiben aufzuklären. Im letzten Augenblick aber überlegte Pitt es sich anders, denn ihm fiel ein, dass das für Tellman gefährlich werden konnte. Wenn Welling über diese Dinge vor Gericht aussagte, um sich selbst zu entlasten, bestand die Möglichkeit, dass die Polizei davon erfuhr. Aber grundsätzlich war es natürlich denkbar, dass Piers Denoon seinen Vetter getötet hatte, um zu verhindern, dass ihm dieser gefährlich wurde.
    Schließlich hatte Pitt von Welling alles erfahren, was er sich erhofft hatte. Nach einer kurzen Befragung Carmodys, bei der nichts herauskam, was er nicht ohnehin schon wusste, ging er, den Kopf voller Gedanken.

    Am nächsten Tag trat Pitt kurz nach Mittag anstelle von Taschen-Jones seine Runde durch die Wirtshäuser an. Nur selten hatte er etwas getan, was er mehr verabscheute. Er zog alte Kleider an, die sich so sehr von seinen üblichen unterschieden, wie das nur möglich war, als wolle er sich auf diese Weise von seinem Tun distanzieren. Das Tweedjackett mit den aufgesetzten Flicken hätte er unter normalen Umständen nie angezogen, denn nicht nur kratzte der Stoff auf der Haut, es war in der Nachmittagssonne auch zu warm.
    Überall, wohin er kam, musste er erklären, dass Jones zur Zeit unabkömmlich sei und er einstweilen seine Stelle einnehme.
    »Isser krank?«, fragte ein Wirt mit hoffnungsvollem Unterton. »Schwer krank?«
    »Wahrscheinlich«, gab Pitt zur Antwort. »Und wenn er sich eine Weile in Coldbath Fields aufhält, verschlimmert sich das Leiden noch.« Er bezog sich damit auf das Gefängnis Londons, das den übelsten Ruf von allen hatte.
    »’ne wahre Schande«, sagte der Wirt mit breitem Grinsen, das gleich darauf verschwand. Mit einem funkelnden Blick auf Pitt fügte er hinzu: »Ich hoff, dass das ansteckend is.«
    »Kann gut sein.« Pitt hatte sich bereits entschlossen, auf welche Weise er vorgehen wollte. »Aber so schlimm wie er kriege ich das nicht.«
    »Wieso nicht? Für mich sin’ Se genauso wie der!«
    »Ich bin dafür nicht anfällig«, sagte Pitt. »Jones war zu scharf. Ich möchte, dass Sie Ihr Lokal weiterführen können, und begnüge mich mit

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