Flammen um Mitternacht
auf den Nachttisch, knipste beide Leselampen aus und kippte dann das Fenster
an. Bei Frischluft zu schlafen, war ein eherner Grundsatz.
Und
tatsächlich: Würzige Landluft drang durch den Spalt. Sie roch nach Kuhstall.
Der Wind brachte den Geruch von den Feldern. Er blies jetzt wieder recht
friedlich und spielte sich nicht mehr als Sturm auf. Wenn er eine Atempause
einlegte, der Wind, war die Stille vollkommen wie am Ende der Welt, bzw. wie in
Sibirien um Mitternacht.
Locke
knetete das Kopfkissen zurecht und ordnete ihre knisternde Mähne. Sie dachte an
den Rest der Familie, wozu auch Tom, seine Mutter und Helga rechneten. Dann
fielen ihr die Augen zu.
*
Sie
schreckte auf, tauchte empor aus tiefem, ahnungsvollen Schlaf, war sofort wach
und horchte in die Stille.
Neben ihr
atmete Elke, ruhig, kaum hörbar.
Der Wind
hatte sich gelegt, die Nacht war jetzt still, kaum daß Blätter raschelten. Ein
schiefer Halbmond schien, und die schweren Wolken von vorhin waren
weitergezogen.
Locke sah
den Mond durch einen Spalt im Vorhang. Und in diesem Moment flog ein Nachtvogel
am Fenster vorbei — ein großer, schwarzer Schatten mit lautlosem Flügelschlag.
Sie horchte.
Was hatte sie geweckt? Die ungewohnte Umgebung? Die unausgesprochene
Bangigkeit, gegen die sie — und auch Elke — seit ihrer Ankunft zähneklappernd
angingen? Oder ein Geräusch?
Ein
Geräusch, ja! Und da war es wieder!
Glas
klirrte, splitterte, zerbrach. Jetzt wieder. Dann noch mal.
Das Geräusch
war nicht im Haus, auch nicht bei den Fenstern, sondern in einiger Entfernung.
Also bei einem der Nachbarn.
Sie schwang
die Beine aus dem Bett, fand nur einen der Plüschschlappen und schlich zum
Fenster.
Mondlicht
übergoß den Ferienpark — so weit sie sehen konnte. Es glänzte auf den Dächern
einiger Häuser. Kahle Bäume warfen bizarre ( wunderliche ) Schatten.
„Locke?“
„Pst! Ich
glaube, beim Nachbarn wird eingebrochen. Jedenfalls hört es sich so an.“
„Einbrecher?“
japste Elke. „Bei uns?“
„Pst! Nein,
nicht bei uns! Das Geräusch kam von der Tanne her.“
Besagte
Tanne überragte alle Bäume der Ferienanlage.
Elke schien
tiefer unter die Decke zu kriechen.
„Siehst du
wen?“
„Nein.“
Locke
spähte, sah aber nichts Verdächtiges, hörte auch nichts mehr, was auf
Einbrecher schließen ließ.
Sie tappte
zu dem Stuhl, über den sie ihre Garderobe gehängt hatte.
„Kommst du
mit, Elke?“
„Was... was?
Was meinst du?“
„Ich gehe
raus.“ Locke schnatterte etwas, aber das fiel kaum auf. „Will sehen, was da los
ist. Wenn eingebrochen wird, rufen wir sofort die Polizei. Aber erst dann! Um
Himmels willen keinen falschen Alarm! Sonst heißt es dann gleich, zwei
überspannte Teenager hätten Alpträume gehabt, und ein dicker Dorfpolizist feixt
wie ein Brunfthirsch. Deshalb sehen wir erstmal, was los ist.“
„Ich nicht!“
stieß Elke durch klappernde Zähne. „Ich rühre mich nicht raus. Du bist
verrückt.“
„Ich kann
gut schleichen. Hat Tom mir beigebracht.“
„Warum
bringt er dir nichts Vernünftiges bei?“
Locke hatte
ihren rosaroten Pyjama gegen Stiefel, Wollrock, Bluse und Steppjacke
vertauscht. Auf den Strohhut verzichtete sie — begreiflicherweise.
„Ich husche
durch die Hintertür, Elke. Am besten, du schließt hinter mir ab. Aber mach’
kein Licht. Es könnte die Einbrecher vertreiben. Wenn ich zurückkomme, klopfe
ich an die Tür und sage, daß ich’s bin.“
„Locke,
bleib hier!“ flehte Elke. „Es steht doch nicht dafür, daß du dein Leben wagst.
Die Nachbarn sind ohnehin alle blöd, und was kann schon...“
„Hier geht’s
doch darum, ein Unrecht zu verhindern. Da kann ich nicht die Augen schließen
und so tun, als bemerke ich nichts.“
Elke
seufzte, verließ aber das Bett und folgte Locke durchs dunkle Haus, die Treppe
hinunter, durch die Küche zur Hintertür.
Sie dachten
an die Alarmanlage, öffneten lautlos die Tür, und Locke huschte hinaus.
Die
Temperatur war gesunken. Locke fröstelte. Ihr Herz pumperte. Eilig schloß Elke
die Tür. Für einen Moment befielen Locke Zweifel, ob ihr Vorhaben richtig sei.
Aber schließlich — hatte sie nicht schon ganz andere Abenteuer bestanden,
anderen Gefahren getrotzt, zusammen mit Tom?
Sie pirschte
ums Haus und achtete auf den Boden. Überall lag Laub. Das Rascheln hätte sie
verraten.
Im Schatten
einer immergrünen Hecke schlich sie zur Tanne. Dort verlief die Straße, die
sich in vielen Kurven wand — von Haus zu
Weitere Kostenlose Bücher