Flammendes Begehren
den Argwohn der beiden auf sich zu ziehen.
Mit mahlendem Kiefer durchmaß Elizabeth, von Sedgewicks gierigen Blicken begleitet, die von Sonnenstrahlen durchflutete Halle. Sie spürte, wie sein Blick an ihren Brüsten hängenblieb, und sah das Leuchten in seinen Augen.
Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, fingen ihre Wangen Feuer. Er beäugte sie, als wäre sie ein Juwel aus den Schatzkammern des Königs oder eine besonders bekömmliche Nachspeise. Ob er seine anderen bereits verstorbenen Gemahlinnen, drei an der Zahl, auch im Vorfeld der Eheschließung mit Blicken ausgezogen hatte?
So schnell wie möglich glitt sie auf den leeren Stuhl neben dem Baron, was dieser mit einem derben Feixen zur Kenntnis nahm. Als Elizabeth sah, dass sich zwischen seinen schiefen Zähnen, die sich vom Wein bereits verfärbten, Reste seiner letzten Mahlzeit verfangen hatten, war ihr endgültig der Appetit vergangen. »Mein Täubchen, Ihr seht atemberaubend schön in Eurem Gewand aus!«, sagte er, schob den Weinkelch von sich und lehnte sich zu ihr hinüber, so dass sein Oberschenkel den ihren berührte. »Die verbleibenden sieben Tage und Nächte, die uns noch trennen, erscheinen mir wie nicht enden wollende Jahre.«
Aus lauter Verzweiflung angelte Elizabeth sich einen Weinkelch und trank einen großen Schluck.
»Nicht so hastig!« Ehe sie wusste, wie ihr geschah, griff seine verschwitzte Hand nach ihren Fingern. »Ich würde es nicht ertragen, wenn Ihr Euch verschlucktet.«
Mit einem brennenden Gefühl, das der Wein in ihrer Kehle hinterließ, befreite sie ihre Hand und wischte sie sich unauffällig am Tischtuch ab – ausgerechnet die Hand, die von den Lippen des Fremden berührt worden war. Schon jetzt wusste sie, dass Sedgewicks Küsse niemals auch nur annähernd so erregend sein würden wie die flüchtige Berührung ihres unbekannten Retters.
Im Geiste sah sie die geheimnisvoll glimmenden Augen des Fremden wieder vor sich. Und plötzlich wusste sie, dass keine Wache der Welt ihn ausfindig machen würde, egal, wie viele Soldaten ihr Vater losschickte.
Plötzlich durchströmte sie ein wohlig warmes Gefühl. Wie es sich wohl angefühlt hätte, wenn seine geschwungenen Lippen ihren Mund eingefangen hätten – genau wie bei den Helden aus den
chansons
? Allein bei dieser Vorstellung machte ihr Magen einen Satz.
Als ihr Vater sich neben ihr niederließ, ächzte der Stuhl. Elizabeth rief sich zur Ordnung und schüttelte den Gedanken an den Fremden ab. Wie töricht, auch nur
einen
Gedanken an einen Fremden zu vergeuden, den sie vermutlich nie wiedersehen würde!
Ihr Vater bedachte sie mit einem Lächeln, ehe er den Geistlichen, der mit hochrotem Kopf die Halle über die Treppe betreten hatte, bat, er möge die Speisen segnen.
Sedgewick nahm sich einen Kanten Brot und gab etwas von den Speisen darauf, die nach Ingwer, Kreuzkümmel und frischem Rosmarin dufteten. »Womit vermag ich Euch eine Freude zu bereiten, mein Täubchen?«, fragte er und wedelte mit einem Stück Hühnerbrust vor ihrem Gesicht hin und her. »Esst, Kindchen, damit Ihr in der Hochzeitsnacht bei Kräften seid!« Elizabeth sah, wie sich seine Nasenflügel aufblähten. »Ganz zu schweigen davon, dass Ihr bald meinen Stammhalter unter dem Herzen tragen werdet.«
Statt das Fleisch anzunehmen, griff Elizabeth hastig nach dem Kelch und trank davon, dankbar für die betäubende Wärme des Rebensafts.
Just als sie den Kelch absetzte, strich ein kalter Luftzug um ihre Fußgelenke. Bertrand de Lyons, der Kastellan, kam die Treppe heraufgerannt, lief eiligen Schrittes auf ihren Vater zu, verneigte sich aufgeregt vor ihm und überreichte ihm ein zusammengerolltes Schreiben.
»Ein Bote gab dies einer Wache. Es ist dringlich.«
»Dringlich?« Der Burgherr wischte die Soße fort, die ihm aufs Kinn getropft war, ehe er das Wachssiegel auf dem Schreiben brach.
Als Nächstes wandte Bertrand sich Elizabeth zu und reichte ihr ein Stück verblichenes Leinen, in das etwas eingeschlagen war. »Mylady, dies ist für Euch.«
Nachdenklich legte Elizabeth die Stirn in Falten. Weder erwartete sie eine Lieferung noch eine Nachricht. Vorsichtig legte sie das kleine Päckchen vor sich und öffnete es.
Die Schleife, die sie längst verloren geglaubt hatte. Wer mochte sie gefunden und ihr geschickt haben? Gedankenverloren strich sie über das kunstvolle Gebilde aus Tuch.
»Beim Allmächtigen!«
Der scharfe Ton ihres Vaters riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte auf und sah, wie
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