Flammenopfer
befürchte ich, dass Sie sich zu sehr mit anderen Dingen befassen.«
» Ich verstehe nicht ganz.«
» Ihre Tätigkeit bei der Telefonseelsorge. Das machen Sie doch noch?«
» Ja. Aber in meiner Freizeit.«
» Es ist eine Nebentätigkeit.«
» Eine genehmigte.«
» Eine genehmigte Nebentätigkeit, Herr Sternenberg. Sie arbeiten da auf Honorarbasis, ist das richtig?«
» Ja, das ist richtig. Auch im zulässigen Bereich.«
» Wir reden nicht darüber, ob Sie ein Dienstvergehen begangen haben, Herr Sternenberg. Ich bin mir sicher, dass Sie alle erforderlichen Unterschriften dafür haben. Ich kann Ihnen nur nicht sagen, ob ich auch meine Unterschrift künftig geben werde.«
Jetzt schwieg er und sah sie an.
Dann sagte sie: » Ich werde es nicht akzeptieren, wenn meine Mitarbeiter sich durch ihre Freizeitaktivitäten so weit ablenken lassen, dass sie nicht die volle Leistung bei der Ermittlung bringen.«
Er spürte die Wut heranrollen. » Dann hätte man mich suspendieren müssen, als ich meine Töchter großgezogen habe.«
Zu seiner Überraschung lachte sie. » Wir reden hier vom Vermeidbaren, Herr Hauptkommissar.«
» Ich arbeite seit Jahren bei der Telefonseelsorge. Ich bin deswegen nie auch nur für eine Stunde im Dienst ausgefallen. Vielmehr habe ich mir in meiner Freizeit Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet, die für die Polizeiarbeit brauchbar sind.«
» Synergieeffekte meinen Sie?«
» Fähigkeiten, die mir die Akademie nicht vermittelt hat. Und meine Leistungen sind dadurch nicht schlechter, sondern besser geworden.«
» Heute Morgen sind Sie um 11 Uhr ins Büro gekommen …«
» Das ist so vereinbart. Die Zeit wird nachgearbeitet. Meist bummle ich damit Überstunden ab.«
» Hören Sie auf, sich zu verteidigen. Das ist nicht notwendig. Sie bekommen von mir keinen Orden für ihre Sozialarbeit, aber ich will Ihnen auch keine Steine in den Weg legen. Ich will nur eines: Klären Sie für sich, ob Sie hier Spitzenleistung bringen, wenn Sie gleichzeitig am Telefon alles geben. Ich will Ihnen eine neue Aufgabe übertragen, und dafür werden Sie Ihre Kräfte brauchen.«
Er fühlte sich müde.
» Was ist das für eine Aufgabe?«
» Sie sind müde. Gehen Sie nach Hause, und schlafen Sie sich aus. Dann sage ich es Ihnen.«
» Ich bin am besten, wenn ich müde bin.«
Beate Rixdorf lehnte sich langsam in ihrem Sessel zurück und grinste. » Wie schnell ich Sie dazu kriege, nach Blut zu lecken, Kollege Sternenberg!«
Eine Viertelstunde später saß er mit den anderen in Sesseln rund um einen zu hohen Couchtisch.
» Wollt ihr nicht mal einen neuen besorgen?«
» Kai, wir haben anderes zu tun«, sagte Petra Masalia.
Wolfgang Lichtenberg, der Dienstälteste, stöhnte und erhob seine leise Stimme: » Der Tisch ist völlig in Ordnung. Die Sessel sind zu tief.«
Die Tischkante war genau in seiner Augenhöhe.
Petra hätte Wolfgang Lichtenberg beim Lachen beinahe die Hand aufs Knie gelegt, schreckte aber vor Bügelfalte und Alter zurück. » Wolf, wir schaffen diese scheußliche Sitzgruppe ab und legen uns eine richtige Bar zu. Das gefällt dir bestimmt.«
Kai Sternenberg beugte sich vor. » Jetzt mal zur Sache.«
Wolfgang sah sofort zu ihm herüber.
Petra warf sich im Sessel zurück und presste die Lippen zusammen, um Konzentration zu demonstrieren.
Tarek und Isabel umklammerten ihre Schreibblöcke.
Jano Dodorovic ging durchs Zimmer. Er nahm einen Stapel Kopierpapier aus dem Regal, versuchte es leise auszuwickeln und hüpfte, sich seiner Rolle als Störenfried belastend bewusst, durch die Haupttür hinaus. Dabei wäre er beinahe mit dem Abteilungsleiter zusammengestoßen. Der trat mit zwei Schritten hinter Sternenberg und hielt ihm eine Mappe vors Gesicht: » Das wollten Sie ausfüllen, glaube ich?«
Sternenberg nickte, nahm die Mappe und legte sie nach oben auf den Tisch.
Der Abteilungsleiter musterte die Runde für einen Augenblick und ging.
Zwei Polizeianwärterinnen zogen ein Fax in die Länge wie ein Laken nach dem Waschen. Sie diskutierten über Faxgeräte mit modernem Papiereinzug.
Einer der Techniker kam mit einer Waffe in der Hand in den Raum und fragte die Runde um den Couchtisch, wem der » Refolwer« gehöre. Der habe auf dem Klo gelegen.
Sternenberg stand auf. » Ich hätte gern wieder einen richtigen Sitzungsraum. Dieses Durchgangszimmer ist absolut ungeeignet.«
Wolfgang Lichtenberg schloss die Augen.
Petra kicherte. » Nach dem Umzug haben wir kein Zimmer mehr, das dafür
Weitere Kostenlose Bücher