Flammenopfer
Sakralbau entwickeln sollte. Korbmann schuf neue Plattencover – ausschließlich für den eigenen Plattenschrank. Die Regale barsten vor Ölminiaturen, deren gelungenste Exemplare er in einer Rahmenwand im Flur ausstellte. Sternenberg hielt seinen Freund nicht für ein begnadetes Talent, aber was er machte, war einzigartig, verrückt und irgendwie bewundernswert. Wenn jemand ausrechnete, wie viele Stunden es gedauert hat, für alle Exemplare dieser Sammlung neue Cover zu malen …
» Ich habe nichts zu essen da«, sagte Korbmann. Er stand im Türrahmen und schlug seine eingemehlten Hände gegeneinander. » Aber wir sollten zusammen essen.«
» Lass mal«, sagte Sternenberg. Bei dem Geruch warmen, frischen Brotes, der aus der Küche drang, fiel ihm ein, wie sehr er durch die Wärme und den Stress seinen Hunger vergessen hatte.
» Du siehst hungrig aus. Ich hab höchstens noch ein bisschen Fisch. Ist das okay? Komm einfach mit, wir unterhalten uns in der Küche.«
Der Rest Fisch war eine gute Elle schottischen Lachses, ein kapitales Stück vom Schwanzteil des Fisches, vormariniert auf einem Porzellanteller, den Korbmann aus der Speisekammer bugsierte. Sternenberg setzte sich an den runden Tisch am Fenster und sah seinem Freund zu, der gleichzeitig aufräumte und kochte.
» Es war einfach eine Idee, zu dir rauszufahren.«
» Die Idee war gut. Ich kann dir nur nichts Vernünftiges anbieten.«
» Ums Essen geht’s mir auch nicht.«
Korbmann hielt inne und sah zu Sternenberg hinüber, die lachsigen Hände in der Luft haltend. » Weiß ich. Trotzdem gehört’s dazu. Hast du Ärger?«
Sternenberg brauchte einen Moment. So stolz er in diesem Moment war, einen Freund wie diesen zu haben, fragte er sich, warum Rolf seine Stimmung durchschaute und fast perfekt so handelte, wie er es sich wünschte. Wenn der andere so schnell merkt, dass ich Hilfe brauche, dachte Sternenberg, bin ich wohl wirklich aus dem Lot.
» Ich versuche, was aus dem Ding zu machen, aber es ist eine Notlösung. Wollte morgen einkaufen.«
» Ich habe einen Fall, der eigentlich keiner ist.« Er beobachtete, wie Korbmann auf dem Küchenregal nach Flaschen suchte. Es war aber unverkennbar, dass er ihm zuhörte. Emma Kirkby sang im fernen England.
» Wir versuchen, Systematik in die Brandstiftungen der letzten Zeit zu bringen.«
» Echt? Habt ihr immer noch keinen gefunden? Das geht seit Ewigkeiten durch die Presse, oder?«
» Es ist eigentlich kein Thema für die Mordkommission.«
» Wieso?« Korbmann goss aus zwei langhalsigen Flaschen gleichzeitig dunkle Flüssigkeiten auf den Teller, wobei er mit der linken Hand erheblich großzügiger war als mit der anderen. » Fallen Brandstiftungen nicht in euren Bereich? Schwere Gewaltkriminalität?«
» Brandstiftung ist bislang nicht bei uns gelaufen. Menschen sind früher bei den Bränden selten zu Schaden gekommen. Und wenn, dann zufällig. Fahrlässige Tötung. Kein Mord.«
» Und jetzt?«
» Jetzt bin ich drangesetzt worden, den Kollegen zu überprüfen, der die Brandstiftungen bisher erfolglos bearbeitet. Heikle Sache. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das ein mieser Auftrag ist. Und eine meiner besten Mitarbeiterinnen ist mit dem Typen liiert.«
Korbmann sog Luft zwischen den Zähnen ein. Es war nicht eindeutig, ob das mit Sternenbergs Aussage zu tun hatte oder mit der Menge des Gewürzes, das er aus einer Büchse in die Flüssigkeit streute.
» Ich habe keinen konkreten Ansatz. Und nun passiert etwas Sonderbares. Genau dieser Typ verhaftet ein Mädchen, das er auf einem Dach im Prenzlauer Berg ertappt hat. Ertappt heißt, dass er angeblich gesehen hat, wie sie an einem Dachfenster gedreht hat. Er verhört sie und mutmaßt, dass sie mit einer Gruppe Jugendlicher zu tun hat, die Flugblätter gegen den Kapitalismus drucken lassen – und in denen sie zu Brandstiftung aufrufen. Ach so, und du musst wissen, dass die Brände der letzten Monate fast immer Dachgeschosswohnungen im Prenzlauer Berg und in Mitte zerstört haben. Mit einer zunehmenden Zahl von Todesopfern. Die Opfer haben vielleicht etwas gemeinsam, weil sie mit Immobiliengeschäften zu tun haben. Aber wir konnten keine Linie feststellen. Der entscheidende Punkt ist: Dieses besagte Mädchen habe ich neulich bei mir auf dem Dach getroffen. Und ich fand sie ziemlich nett. Wir haben zusammen … Wir haben, weil wir am Morgen müde waren, in meinem Bett geschlafen. Nur geschlafen.«
» Hab’s schon verstanden, Kai.«
» Du musst sie
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