Flammenopfer
Taschentuch und schob es in ihre Reichweite. » Traubes Methoden sind umstritten. Das ist einer der Gründe, warum ich mir den Fall ansehen soll. Wir kooperieren nicht mit denen, eher sollen wir sie kontrollieren. Das kannst du glauben oder nicht. Es wäre gut, wenn du mir ein paar Erklärungen geben würdest, dann kann ich mehr Licht in die Sache bekommen. Hast du einen Anwalt?«
Sie nickte kaum sichtbar, griff schnell nach dem Tuch und wischte sich die Augen.
» Ich habe gehört, dass man dich festgenommen hat, als du an einer Dachluke … irgendwas mit einer Zange gemacht hast. Ich glaube nicht, dass die Polizei lange einen Verdacht hegen kann, aber dazu muss ich wissen, was du tatsächlich gemacht hast. Und – klar, das will Traube auch wissen –, und was du mit dieser Gruppe von Jugendlichen zu tun hast, die da in der Oderberger rumspuken. Julia …«
Er betrachtete sie und fand, dass er zu viel auf sie einredete. Ein bisschen mehr Psychologie, dachte er. Sie reden lassen. Sich entlasten lassen. Er war zu ungeduldig.
Sie schniefte in das Taschentuch und ließ ihre Zähne aufblitzen, die Stimme wieder in normaler Lautstärke: » Du glaubst, dass ich unschuldig bin?«
» Ja. Ich weiß es nicht, aber ich glaube es.«
» Tja, Kai Sternenberg …«
» Woher kennst du eigentlich meinen Namen?«
» Von deinem Klingelschild. Eben konntest du dich noch daran erinnern, dass ich in deiner Wohnung war.«
» Ist ja gut.«
» Also, Kai Sternenberg, ich weiß jetzt, dass du den Mann, der mich verhört hat, kontrollieren sollst. Weiß er das auch? Soll ich es ihm sagen? Ich weiß jetzt, dass ihr nichts gegen mich in der Hand habt. Bist du mal auf die Idee gekommen, dass ich zu dir aufs Dach gekommen bin, weil ich von dir genau das Alibi haben wollte? Ich habe mit dir gepennt, werden alle denken. Mit einem Polizisten. Da kann sie gar nichts angestellt haben, jedenfalls nicht in der Zeit.«
Er versuchte, in ihrem Gesicht mehr zu lesen als kalten Hohn. Sie machte es ihm schwer. Sie fuhr sich durch die Locken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. » Kai Sternenberg. Du steckst in Schwierigkeiten.«
» So schlimm ist es nicht.«
» Nein? Dann ist ja gut. Ich dachte, du hättest dich mit einer Brandstifterin eingelassen, mit der Anführerin einer terroristischen Vereinigung.«
» Ich nenne die Kids nicht so.«
» Dein Kollege hat’s aber getan. Terroristische Vereinigung. Prenzlauer Berg. Wir streifen über die Dächer, brechen ein, suchen uns Opfer aus dem Kreis wohlhabender und einflussreicher Menschen, legen Feuer, sind eine neue Rote Armee Fraktion. Mit so einer gehst du nicht nur ins Bett. Du versuchst auch, sie vor deinen Vorgesetzten zu verteidigen. Und nachher willst du dich damit herausreden, du hättest ihren Namen nicht gekannt. Das unbekannte Mädchen vom Dach, mit dem man einfach in die Kiste steigt, ohne ein Wort zu reden. Nur Liebe, keine Namen. Feurige Liebe. Herzlichen Glückwunsch!«
Er spielte mit dem Besucherausweis. Hämmerte mit der Längskante auf die Tischplatte.
» Nervös?«, fragte sie.
Er sah sie an. Hörte draußen jemanden vorbeigehen, einen entfernten Ruf.
» Mich anzuschweigen ist da auch nicht hilfreich, Kom missar Sternenberg. Es ändert deine Situation um kein Iota.«
Der Ausweis lag vor ihm. Er verschränkte die Arme vor sich. Es war schwierig, die Dinge zu ordnen. Er versuchte, das Mädchen einzuschätzen.
Allmählich wurde sie nervöser. » Wenn nichts mehr kommt, kannst du gehen. Dann kann ich auch gehen.«
» Ich glaube nichts von dem, was du mir gesagt hast«, sagte Sternenberg.
Sie stieß einen tonlosen Pfiff durch die Lippen und hob die Hände. » Dein Pech.«
» Du wolltest Feuerwehrfrau werden. Die erste in Berlin. Die erste, die wirklich dabei ist. Und jetzt verdächtigt man dich der Brandstiftung. Des Mordes sogar. Traube hat dir übel mitgespielt, er versucht, dir eins reinzuwürgen. Und du glaubst, dass ich genauso bin. Du hast Angst. Du hast Angst und schlägst um dich und greifst dir, was dich retten könnte. Aber deine Geschichte wird niemand glauben. Auch dann nicht, wenn meine eigenen Erklärungen in einem Gerichtssaal sonderbar klingen werden. Moment! Bevor du irgendwas sagst: Ich gehe jetzt. Du musst wissen, was du tust. Ich habe keine Angst vor dir und deinen Geschichten. Ich vermute, dass du verstehst, wie sehr du dir am Ende damit schadest.« Er warf ihr seine Visitenkarte hinüber, die sie ignorierte. » Ich glaube an das Mädchen, das am
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