Flammenpferd
oft in den vergangenen Tagen, keinen Appetit mehr. Außerdem stachen ihr bei jedem Atemzug die Rippen in den Rumpf. Unwillkürlich fasste sie sich an die Seite. Wenn sie es wenigstens Evelin gleich tun und einen rühmlichen Sturz vorweisen könnte, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor.
Jette entging die verstohlene Bewegung nicht. „Du weißt, wie wenig ich von Swantje gehalten habe. Aber eine solche Brutalität hätte ich ihr nicht zugetraut.“
Hella zeichnete mit den Gabelzinken ein Muster in den Schokoladenguss. „Wer mag einem anderen Menschen etwas Bösartiges zutrauen. Kann man sich vorstellen, dass Jana, ich meine Kati, diesen Mann erschossen hat?“
„Das Mädchen hat alles gestanden. Es gibt keinen Zweifel an ihrer Aussage, heißt es.“ Auch Jette spielte nervös mit der Kuchengabel. „ Was mich nicht schlafen lässt: Niemals wäre mir der Gedanke gekommen, meine Freundin Nelli könnte etwas Kriminelles tun. Dass ich mich so in ihr täuschen konnte! So richtig glauben will ich es immer noch nicht. Trotz allem, ich bin dankbar, dass du so offen zu mir warst.“
Jette lächelte tapfer. Hella senkte den Kopf und betrachtete das eingeritzte Muster. Sie hatte Jette wieder nicht alles erzählt. Jette wusste ebenso wenig von Nellis Erpressungen und den Verwicklungen, die sie damit provoziert hatte, wie die Polizeibeamten oder sonst eine lebende Person mit Ausnahme von Hella selbst. Den Polizisten hatte sie dasselbe gesagt wie Jette. Dass Swantje behauptet hätte, Nelli wäre eine Komplizin von Jan van Heeren gewesen und hätte die Medikamente für ihn eingelagert, bis er das Zeug weiter ins Ausland verschacherte. Es würde weder den Lebenden, noch den Toten helfen, wenn sie die Geschichte in allen Einzelheiten ausbreiteten würde. Sie musste darauf vertrauen, dass die Schatten der Vergangenheit nun endlich Ruhe gaben.
Jette unterbrach ihre Gedanken. „Hast du Neuigkeiten von der Polizei?“
Hella setzte sich etwas bequemer. „Man hat Swantje in Holland verhaftet. Die Flucht hat ihr nichts genützt.“
„Und das Mädchen?“
„Jana, nein Kati“, verbesserte Hella sich, „befindet sich in einer psychiatrischen Klinik. Sie hat mir ausrichten lassen, dass sie sich ein Foto von Fadista wünscht.“
„Wirst du es ihr schicken?“
Hella nickte. „Sie ist krank. Sie kann nichts für ihre Fantasien.“
Jette schüttelte die rote Haarpracht. „Ich habe mir die Finger blutig gewählt und bin fast irrsinnig geworden vor Angst, als ich dich weder im Haus, noch über das Handy erreichen konnte.“
Uschi hatte sie wie versprochen am Flughafen abgeholt, und noch auf der Fahrt zum Hof waren sie auf Fadista und das erste Feuer zu sprechen gekommen. Als Uschi von dem Mädchen erzählte, wurde Jette schlagartig klar, dass Kati und Jana eine Person waren. Mit der Urlaubsstimmung war es vorbei. Sie ließ sich von Uschi zum Flughafen zurückbringen, buchte den sofortigen Rückflug und versuchte unentwegt, Hella telefonisch zu warnen.
„Ich war heilfroh, als ich wenigstens Julian erreichte.“
Hella spießte einen Kuchenkrümel auf. „Der ganze Stall stank nach Benzin. Jeden Augenblick hätte alles in die Luft fliegen können, und er kam herein gestürmt.“
Jette lächelte. „Er ist mutig, dein Julian.“
„Mein Julian?“, wiederholte Hella zweifelnd. „Er ist eifersüchtig, weißt du. Er ist kompliziert. Er ist eigensinnig.“
Jette lachte leise. „Das passt doch wunderbar.“
„Wie meinst du das?“
„Kompliziert und eigensinnig kannst du auch sein!“
Hella probierte den Kuchen, spießte das nächste Stückchen auf und aß das restliche Tortenstück in einem Rutsch.
„Eins sage ich dir: eifersüchtig bin ich nicht!“, behauptete sie dann.
„Wir werden sehen!“ Jette grinste und widmete sich nun auch ihrem Kuchen.
Die Bedienung räumte die leeren Teller fort. Hella bestellte noch zwei Cappuccino.
„Was wird nun aus Fadista?“, fragte die Freundin.
Hella lächelte glücklich. „Was soll Swantje im Gefängnis mit einem Pferd anfangen? Außerdem wird sie für den Prozess Geld brauchen. Ihr bleibt gar nichts anderes übrig, als ihn an mich zu verkaufen.“
„Wovon wirst du ihn bezahlen?“
„Ich finde schon einen Weg.“
„Und dein väterlicher Teilhaber?“, fragte Jette verwundert. „Was wird Werner Tischbein sagen, wenn du dein Geld für ein Pferd ausgibst, anstatt alles in das Geschäft zu stecken? Was meint er wohl zu einer solchen Sentimentalität?“
Hellas
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