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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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geschickt gefaltet hatte, flatterten ihr die neusten Nachrichten laut um die Ohren. Also kurbelte er sein Fenster hoch. Halb so schlimm, denn dort, wo sie hinfuhren, war es noch viel heißer und roch es noch sommerlicher.
    Sein Magen meldete sich zu Wort. Zeit für einen kleinen Snack. Carlo wusste, er sollte eigentlich ein paar Pfunde zum Teufel jagen. Aber jedes dieser Pfunde hatte mindestens einen, wenn nicht gar zwei Sterne verdient. Im Gegensatz zu den meisten seiner bedauernswerten Mitmenschen hatte Carlo in seinem ganzen Leben nicht ein Gramm Fast Food zu sich genommen. Alles seelenloses Zeug. Sollten sich andere freiwillig foltern lassen. Auf seinen Tisch kamen stets nur die allerbesten Zutaten, um als beglückende Gaumenfreuden zu enden. Kochen, das war für ihn pure Leidenschaft. Das war für ihn Musik.
    »Na danke schön!« Anna klopfte mit beiden Händen auf das Lenkrad. »Wär ja auch ein Wunder gewesen, so ganz ohne Stau!«
    Nach der letzten Kurve war der Verkehr plötzlich ins Stocken geraten, und vor ihnen verwandelte sich die Autobahn nun in einen riesigen Parkplatz.
    »Diese ganzen unverbesserlichen Idioten!«, schimpfte Anna weiter. Selbst wenn sie sauer war, hatte sie dieses kompetente, energische Profil. Sie hätte jederzeit in einem dieser Heile-Welt-Werbespots mitspielen können, in denen schlanke, attraktive Frauen in Anzügen oder maßgeschneiderten Businesskostümen um die Welt flogen, maximal einen Salat ohne Dressing aßen und einfach alles im Griff hatten. Und dabei hätte sie nur sie selbst sein müssen, ohne sich groß zu verstellen. Sie war eine erfolgreiche Powerfrau. Ihr stechend grüner Blick kannte keine Ruhe, ihre schnurgerade, vielleicht etwas zu lange Nase bezeugte ihr hohes Durchsetzungsvermögen, und selbst ihr nahezu perfekter Mund stand ständig unter Spannung.
    »Wir hätten fliegen sollen!«
    Mit der rechten Hand strich sie ihre zu einem strengen Zopf gebundenen dunklen Haare glatt, um sich so etwas zu beruhigen. Die Haare saßen wie immer perfekt. Warum nur konnte die Welt nicht wenigstens die gleichen Maßstäbe erfüllen, die sie sich setzte? War das denn zu viel verlangt?
    »Mein Spatzl, wir können da aber nicht hinfliegen«, besänftigte sie Carlo.
    Dann lief gar nichts mehr. Stillstand. Von einer Sekunde auf die andere waren sie gefangen, eingekeilt zwischen all den anderen Autos.
    »Freie Fahrt für freie Bürger!«, bemerkte Elli sarkastisch.
    Überall öffneten sich die Autotüren, und man nutzte die Gelegenheit, um sich die Beine zu vertreten. Auch die drei Münchner stiegen aus.
    Aus der Masse an Verkehrsteilnehmern, die eben noch angenehm anonym an ihnen vorbeigehuscht waren, wurden nun plötzlich unfreiwillige Nachbarn und Leidensgenossen. Anna massierte sich mit dem Daumen die Handinnenflächen und beäugte die anderen Menschen wie unerwünschte Wesen von einem anderen Stern. Dem überflüssigen Stern der deutschen Durchschnittsmenschen. Neben ihnen stand ein bronzener Mittelklasse-Mercedes mit einem Frührentnerpärchen. Der Mann trug eine Art Schirmmütze mit durchsichtigem, gelblichem Visier verkehrt herum auf seinem fast kahlen Schädel, und an seinem Hosengürtel waren mindestens fünf verschiedene elektronische Utensilien befestigt. Fast schien sich der Mann über den Stau zu freuen, denn das war die Gelegenheit, sein ausgefeiltes Überlebensspielzeug zum lang ersehnten Einsatz zu bringen.
    »Bis jetzt liegen wir noch zwölf Minuten unter meiner kalkulierten Ankunftszeit. Wenn mir mein GPS keinen Streich spielt, können wir, Reservekanister eingerechnet, mindestens acht Stunden im Stau stehen«, hörte Anna den Mann, der sicher Reinhold oder Günther hieß, sagen. Solange es in Deutschland diesen Schlag von Hobbyingenieuren gab, konnte dieses Land nicht untergehen, da waren sich Anna und Elli sicher.
    »Gut, Günther, ich hab uns Stullen gemacht«, lobte ihn seine Frau, die eher ein dickes Mütterchen war.
    Anna und Elli schmunzelten.
    Carlo stand am Kühler und befreite ihn von einer Armada an Käfern und Fliegen, denen noch keiner gesagt hatte, dass ein Überflug über die Autobahn schnell tödlich enden konnte. Er wunderte sich, wie hartnäckig die Schmierage war, als ein Ball vor seine Füße rollte. Er gehörte anscheinend einem Jungen, der nun zwei Autos weiter vorne ganz alleine dastand und Carlo unsicher anschaute.
    Carlo grinste den kleinen Beckenbauer an, man wusste ja nie, welches noch unentdeckte Talent man da vor sich hatte, und trippelte

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