Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
liebte seinen seltenen alten 502er, dunkelblau mit blinkenden Felgen. Davon gab es nur noch wenige, noch dazu in solch einem perfekten Zustand.
»Und dann?«, fragte er sie. »Sitzen wir wie alle anderen frustriert hinter zweihundert PS, ohne Gefühl dafür, was um einen herum passiert? Gleichgeschaltet vom neusten idiotischen Marketing-Furz?«
Carlo schaute aus dem Fenster auf die Berge, die ebenso unerschütterlich waren wie er. »Außerdem is der Wagen noch nie liegen geblieben. Auf den war immer Verlass.«
Anna musste lachen. »Marketing-Furz? Klingt gut! Muss ich mir merken.«
Erneut sah Elli auf, sie war eigentlich schon längst wieder in einen Artikel über die Architektur-Biennale in Venedig versunken, und fragte: »Was? Hat der Carlo etwa einen Witz gemacht?«
Auch Carlo grinste, wobei er seine warmen braunen Augen so stark zukniff, dass sie kaum noch zu sehen waren. Etwas behäbig lehnte er sich über die breite Mittelkonsole aus poliertem Wurzelholz zu seiner Anna, um ihr einen Kuss zu geben.
»Wir machen uns zwei wunderschöne Wochen! Das wird eine Schau.«
Anna fuhr ihm mit ihren perfekt manikürten Fingern über die Wange. Sie waren weich und rund. Er war zwar nur wenige Jahre älter als sie, aber er hatte bereits tiefe Lachfalten, und an seinen Augenrändern zeichnete sich deutlich eine Reihe von weiteren kleinen Fältchen ab. All das verlieh seinem warmherzigen Gesicht nur noch mehr Charakter.
Anna sah ihn sich eine Sekunde länger an als sonst. Schlechtes Gewissen überkam sie. »Wunderschöne Wochen …«, dachte sie etwas traurig bei sich. »Na ja, wir werden sehen.«
»Jetzt knutschen die auch noch rum da vorne!« Heiko rutschte nervös auf seinem ledernen Sportsitz hin und her. Er war außer sich. Schon liefen ihm die ersten Schweißperlen über sein glattrasiertes, manchmal noch jungenhaftes Gesicht. Er war gerade erst dreißig geworden. Doch nach einer peniblen Nassrasur konnte er locker das unschuldige Gesicht eines Mitte Zwanzigjährigen aufsetzen und damit den perfekten Schwiegersohn spielen. Das konnte manchmal sehr nützlich sein, vor allem, wenn man ahnungslosen Hausfrauen oder alten Damen eine nutzlose Versicherung verkaufen wollte. Was Heiko beinahe täglich tat, mit der knabenhaften Vertrauenswürdigkeit eines Messdieners.
In diesem Moment allerdings erweckte er wenig Vertrauen. Danach war ihm auch nicht zumute. Nein, er war kurz davor auszurasten. Erst der verdammte Stau, und nun tuckerte sein Vordermann gemütlich vor sich hin, so als wären sie auf einer zerschlagenen Landstraße in der tiefsten Uckermark. »Hallo? Das ist eine Autobahn! Formel-1-tauglich!«, rief er. Was war das überhaupt für eine uralte Kiste, mit der diese Ignoranten alle anderen seriösen Autofahrer gefährdeten?
Zwar glänzte auf dem buckeligen Heck ein BMW-Emblem, aber dass die jemals solche müden Kisten gebaut haben sollen, das konnte Heiko sich beim besten Willen nicht vorstellen. Wenn Heiko seit der Wende eines gelernt hatte, dann war es, dass Zeit Geld war, auch im Urlaub. Immerhin war das heute die erste Gelegenheit, seinen neuen TT auszufahren. Er hupte erneut nervös, natürlich nicht ohne wieder vor sich hin zu fluchen. »Faule Wessis! Ignoranten!«
Dann geschah das Wunder. Heikos Puls fuhr Karussell. Endlich bequemte sich der seltsame Münchner BMW dahin, wo er hingehörte: auf die rechte Spur. Na bitte! Obwohl der Standstreifen für so einen Kübelwagen noch besser gewesen wäre. Wie konnte man nur mit so einem alten Karren die Luft verpesten, wenn man zwischen so vielen PS und Hightech-Wundern wählen konnte?
»Gemeingefährlich ist das«, schimpfte er erneut vor sich hin.
Sofort drückte er das stählerne, frisch polierte Gaspedal durch und zog endlich an Carlos BMW vorbei. Jetzt erst konnte er durchatmen. Freiheit!
Kurz sah er in den BMW. Ha! Frau am Steuer. Na, was für eine Überraschung! Der offensichtlich geisteskranken Fahrerin warf er kurz einen vernichtenden Blick zu.
Erleichtert sah er zu seiner bezaubernden Freundin Sandra hinüber. Wie sie einfach nur so dasaß! Eine Wucht! Jung, schlank, blond und unter Garantie unsterblich in ihn verliebt. Er beneidete sich selbst und legte seine Hand auf die Innenseite ihrer so wunderbar kühlen, nackten Oberschenkel. Heiko lächelte sie an. Miniröcke! Was für eine geniale Erfindung. Dieser Designer hätte eigentlich einen Nobelpreis verdient. Eine Welt ohne Miniröcke konnte er sich nur schwer vorstellen. Und Sandra hatte Beine,
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