Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
summte das Gelächter der vielen Gäste.
Und Carlo? Er hatte einfach nur die großen Kastanienbäume angeschaut, die gerade mit ihren neongrünen Blättern den Frühling einläuteten. Während ihre drei glattgebügelten Kollegen ihr wieder von dem neusten Megamerger, einer amerikanischen Lawfirm oder Riesenkanzlei vorgeschwärmt hatten. Da hatte dieser warmherzige, zufriedene Bär einfach nur vor seiner Brotzeit gesessen und mit blinzelnden Augen die zarten Sonnenstrahlen genossen. So, als hätte es in diesem Moment nichts Wichtigeres in der Welt gegeben.
Und er hatte alles gehalten, was er ihr ja eigentlich nie wirklich versprochen hatte. Musste er gar nicht. Sie war fortan seine Prinzessin, ach was, seine Königin. Auf ihn konnte sie sich immer verlassen.
Aber in London gab es nun mal keine Biergärten. In New York, wo sie wahrscheinlich die Hälfte der Zeit auch hinmüsste, erst recht nicht. Dieser neue Job, das war die Chance ihres Lebens. Und die wollte sie nicht verpassen. Es war nicht nur das pervers viele Geld, das auf sie wartete. Mit der Zeit war ihr klargeworden, dass sie nicht einfach nur herumsitzen konnte, auf Bierbänken, Kaffeehausstühlen oder auf den großen Steinstufen der Münchner Residenz und dort dem Fluss der Zeit zusehen. Nein, sie war ein Teil dieses Flusses. Sie musste weiter voranschwimmen, ganz vorne. Als Erste, und zwar in Rekordzeit!
»Nach dem Brenner trinken wir erst mal einen Cappuccino, was meint ihr?«, fragte Carlo.
»Nur einen?« Da musste man Elli nicht zweimal fragen.
Anna dachte: Es ist Schluss. Ich muss allein weiter. Und sagte: »Klar, Carlo.«
»Wenn ein Liter Benzin doch bitte endlich über drei Euro kosten würde!«
»Wie meinste das jetzt?«, wunderte sich Sandra und lutschte an ihrem knallroten Lolli.
»Na, dann würde nicht mehr jeder Hanswurst einfach mal so mit’m Auto in Urlaub fahren!«, ärgerte sich Heiko.
Erst zweimal konnte er sich mit 240 Sachen in die Kurve legen. Gleich danach musste er wieder voll abbremsen, weil beide Male ein lahmer Laster zu blöd gewesen war, einen anderen zu überholen.
»Sollen sie von mir aus fliegen!«, tat er gönnerhaft kund. »Oder noch besser, zu Hause bleiben, wer es sich nicht leisten kann. Urlaub auf Balkonien. Is besser für die Umwelt.«
Andererseits, allein die ganzen Unfälle, die bei diesem Verkehr ständig passierten, waren Musik in den Ohren eines jeden Versicherungsprofis. Und er war schließlich der Profi der Profis!
Wie oft schon hatte er seinen zukünftigen Kunden von den Reichelts, jener unglücklichen Familie aus Dresden, erzählt. Er hatte sie ja vorher noch lang und ausführlich beraten und gewarnt. Das konnte er gar nicht genug betonen. Das ganze Paket hatte er ihnen angeboten. Rundumschutz aus einer Hand. Hausrat-, Unfall-, Reiseversicherung und noch ein paar weitere besonders teure Feinheiten.
Sicher, nicht jeder baute innerhalb von einer Woche zwei Autounfälle, beide Totalschaden, bekam gleichzeitig ungebetenen Besuch von vermummten Rumänen mit einer Vorliebe für Flachbildschirme und musste dann auch noch zusehen, wie ein Kurzschluss die nagelneuen vier Wände samt Dachstuhl in Schutt und Asche legte. Die Reichelts hatten wirklich seltenes Pech gehabt. Aber wären sie versichert gewesen … Na ja, dann hätte die juristische Abteilung trotzdem einen Weg gefunden, nicht zu zahlen. Die Jungs konnten was!
Jaja, das Schicksal hatte manchmal einen ganz eigenen Humor. Aber Mitleid konnten sie nicht erwarten. Schließlich warnte er sie alle, immer wieder. Und er wünschte auch keinem Unglück. Man musste einfach nur auf ihn hören. Für alles hatte er eine Versicherung, und nur mit seinen Policen hatte man eine faire Chance gegen das Schicksal.
»Dann sind eben die Flughäfen voll«, sagte Sandra.
»Wer ist voll?«
»Na, wenn alle fliegen, dann sind die Flughäfen voll.«
»Ja is doch wunderbar! Hauptsache, die Autobahnen sind frei.«
»Aber wir wollen doch bald nach Thailand?«
Also, aufgeweckt war seine Kleine, das musste Heiko ihr lassen. Sie tat zwar manchmal naiv, aber das war sie nicht, das hatte er mit der Zeit schon kapiert.
»Na ja, bis jetzt ist das Benzin noch zu billig. Sonst wär ja kein Stau, oder?«
Sandra zog den leeren Stiel aus ihrem Mund. »Ich hab Hunger.«
»Gut, muss eh tanken. Unser Baby ist durstig.«
»Verdammt, ist das hell hier!«, beschwerte sich Lutz, der hinter dem wagenradgroßen Steuer des alten VW-Busses saß.
Das sei ganz normales Tageslicht, klärte
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