Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Richter gehörte offensichtlich dazu, waren nicht immunisierbar gegen Clemens’ Charme, gleichgültig, wie viel Lehrgeld sie bezahlt hatten, sie würden immer wieder auf ihn hereinfallen. Wenigstens machte Sarah Fortschritte, was ihre Clemens-Obsession anbelangte, die Gerüchte um ihn und Ilona Richter hatten einen nicht geringen Anteil daran gehabt.
Sollten Clemens und Ilona Richter doch glücklich werden, verdient hatten sie sich allemal! Über seine SMS , die ich in regelmäßigen Abständen bekam, in denen er mich anflehte, mit ihm woanders neu zu beginnen, weil wir füreinander bestimmt seien, musste ich nur noch schmunzeln. Ich löschte sie kommentarlos und hatte inzwischen eine neue Handynummer beantragt.
»Bis morgen, die Damen, ich muss los!«, rief Diane. Sie hatte ein Date, und zwar mit dem sensiblen, schüchternen Mann von unserer Loslass-Party. Er hieß Patrick, war Drehbuchautor und schien Diane gut zu tun. Sie war so ausgeglichen und entspannt wie noch nie, was uns allen zugute kam.
Machten wir uns nichts vor: Diane würde immer Diane bleiben, aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten war sie wirklich nett und kollegial geworden, und ab und zu einen Hammer konnten wir brauchen, allein schon zu Unterhaltungszwecken, würde ja sonst auch langweilig.
Michi surfte im Internet und legte die Route für ihren Abenteuerurlaub fest, den ihre Eltern ihr am liebsten verboten hätten, wenn sie noch erziehungsberechtigt gewesen wären. Wenn jetzt ihr Vater anrief, hatte Michi das Zepter in der Hand und ließ sich nicht einschüchtern von den Horrormeldungen, die ihr Vater eigens sammelte, um Michi von ihrer Reise abzubringen. Bestimmt hatten sich die Eltern schon ein Ticket gekauft und würden Michi heimlich auf ihrem Trip folgen, mit der Aspirin in der Hinterhand, falls es dem Kind nicht gut ging. Seit dem Bruch mit Clemens war Michi nicht einmal mehr krank gewesen, sondern strotzte vor Gesundheit und Kraft. Am Ende hatte die Erfahrung mit Clemens doch was Gutes für uns alle gehabt.
Ich packte meine Sachen ein, ich wollte mit Sarah, Rudi, Leila und Ben noch etwas trinken gehen.
Mein Herz klopfte wie wild, wenn ich an Ben dachte. Jetzt, wo ich wusste, dass er auch in mich verliebt war, hielt ich es fast nicht in seiner Nähe aus, weil ich ihn eigentlich nur berühren wollte.
Es war seltsam, wir gingen miteinander um wie immer, aber diese Spannung, die in der Luft lag, entging niemandem, jeder fragte sich, worauf wir noch warteten, jetzt, wo alles ausgesprochen war.
Warum fragten sie das nicht Ben?
Neulich hatte ich Ben gesprochen. Ich wollte wissen, warum er mir nie gesagt hatte, dass er mich auch gut fand.
»Du warst die vier Jahre jüngere Schwester meines besten Freundes, außerdem dachte ich immer, du musst erst deine Erfahrungen machen.«
Es war seltsam, ihn so über uns sprechen zu hören und zu wissen, dass die Gefühle zwischen uns stimmten und uns nur Bens Angst zurückhielt.
Wie gesagt, den ersten und entscheidenden Schritt musste er machen und sich aus seinem komplizierten Labyrinth herauswagen, dass ich bereit war, wusste er.
Im Goldenen Hahn saßen bereits alle an unserem Stammplatz. Bens Augen leuchteten, als ich hereinkam. Ich lächelte ihn an. Rudi und Sarah waren in eine heftige Diskussion vertieft und nahmen mich überhaupt nicht wahr. Sie stritten wegen Doreen, der jungen Assistenzärztin, die Sarah zur Loslass-Party mitgebracht hatte und mit der Rudi natürlich was angefangen hatte. Zwar war sie gewarnt gewesen, hatte sich aber trotzdem in Rudi verliebt, was Sarah sich jetzt jeden Tag anhören durfte.
Leila war der Streit sichtlich unangenehm. Ben, der wusste, was ich im Goldenen Hahn immer aß, hatte mir bereits einen Chianti bestellt und Vitello tonnato.
Rudi und Sarah wurden immer lauter und fetzten sich richtig, es geschah selten, eigentlich nie, dass jemand es schaffte, Rudi derart aus der Reserve zu locken, außer Sarah.
»Wie kann ein so toller Kerl mit einem so großen Herzen wie du, der jedem der beste Freund und Bruder ist, gleichzeitig so mies mit Mädels umgehen!«, warf Sarah Rudi an den Kopf, stand auf und verschwand auf die Toilette.
Leila, der die Situation unangenehm war, folgte ihr.
Leider musste ich Sarah Recht geben und sprach Rudi ins Gewissen.
»Halt dich bitte in der nächsten Zeit zurück, okay? Ich verstehe, dass du gerade ’ne harte Zeit durchmachen musst, wo Leila so glücklich mit ihrem Jakob ist, das schmerzt, aber andere Mädels dafür bluten zu
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