Flashback
überhängenden Baum in einer Sackgasse auf einem verlassenen Baugrundstück, wo neue, millionenteure Wohnungen hätten entstehen sollen. Ungefähr sechs Kilometer unter der japanischen Grünzone und etwa eineinhalb Kilometer nach der Evergreen-Genesis-Abfahrt von der Interstate 70.
Nick hatte sich mehrfach vergewissert, dass ihm niemand gefolgt war, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, warum ihn sein potenzieller Auftraggeber schon vor dem Vorstellungsgespräch überwachen sollte. Egal. Er schwor auf seine Paranoia. In den Jahren bei der Truppe hatte sie ihm immer gute Dienste geleistet. Sogar ausgestiegen war er und hatte mit seinem alten Spezialsuchfernglas mit Infrarotbewegungsmelder den Himmel und das aus den Rohbauten wuchernde Unkraut abgesucht.
Nick sah zu, wie er es sich auf dem Fahrersitz gemütlich machte
und aus der zerknitterten Anzugjacke die einzige Ampulle Flashback holte, die er an diesem Vormittag mitgenommen hatte.
Der Nick auf dem Bild schloss die Augen, drückte die Ampulle zusammen und atmete tief ein, dann warf er sie durchs Fenster und lehnte sich nach hinten an die Kopfstütze. Schon nach wenigen Sekunden rollten die Augen nach oben wie immer bei Flashern, und sein Mund öffnete sich leicht – so wie auch jetzt.
Da er etwas zu früh von Denver hochgekommen war, hatte er fast noch eine halbe Stunde, bevor er die Straßensperren der Colorado State Police um die Grünzone passieren musste – den ersten von drei konzentrischen Sicherheitsringen. Es war nur eine Zehn-Minuten-Ampulle. Zehn miese Bucks für zehn leichte Kicks , hieß es auf der Straße.
Sein Anblick aus fünf Perspektiven, drei davon in Großaufnahme, unterschied sich nicht von den Tausenden dösenden Flashern an jeder Straßenecke: Nicks Augenlider hatten sich gesenkt, waren aber nicht völlig geschlossen; nur das untere Drittel der nach oben gerollten Iriden, die sich im aktiven REM-Modus bewegten, war zu erkennen. Die nächste Kamera fing einen silbernen Speichelfaden ein, der aus dem linken Winkel des zuckenden Mundes sickerte, und zoomte an den benommen mahlenden Kiefer heran, dessen tief in seinem Erinnerungserlebnis befangener Besitzer zu sprechen versuchte. Doch keine artikulierten Wörter kamen heraus, nur das übliche Idiotengestammel eines Flashers. Die Klangqualität war erstklassig, und Nick hörte sogar das sanfte Rascheln der Pappeläste über seinem Auto. Vor fünfzig Minuten hatte er davon nichts mitbekommen.
»Ich hab verstanden«, sagte er nach zwei Minuten zu den beiden Japanern, die das Geschehen auf den fünf Monitoren wie gebannt verfolgten. »Müssen wir uns diesen Scheiß bis zum Schluss ansehen?«
Sie mussten. Zumindest Mr. Nakamura schien dieser Meinung.
Also beobachteten sie volle zehn Minuten lang, wie Nick Bottom, zerknittert und verschwitzt wie im echten Leben, auf dem Bild sabberte und zuckte, während die schwarz erweiterten Irispunkte auf den halb geschlossenen Augen, die hartgekochten Eiern ähnelten, hin und her hüpften wie schwirrende Fliegen. Nick zwang sich, den Blick nicht abzuwenden.
Dies ist fürwahr die Hölle, und ich bin mitten in ihr. Das war eins der wenigen nicht aus einem Film stammenden Zitate, das er kannte. Er hatte es von seiner Frau aufgeschnappt, die englische Literatur studiert hatte. Die genaue Quelle hätte Nick beim besten Willen nicht nennen können, er glaubte sich nur schwach zu erinnern, dass es etwas mit Faust und dem Teufel zu tun hatte. Wie ihr Vater hatte Dara neben Englisch mehrere andere Sprachen beherrscht. Und sowohl Vater als auch Tochter hatten anscheinend sämtliche Theaterstücke, Romane und guten Filme in diesen Sprachen gekannt. Nick hatte einen Magister in Rechtsmedizin – für einen Polizisten etwas unüblich, selbst wenn er beim Morddezernat war –, aber in Gesellschaft von Dara und ihrem Vater war er sich immer vorgekommen wie ein Halbgebildeter.
Im Auto hatte er auf die Flitterwochen mit Dara im Hana-Maui-Hotel vor achtzehn Jahren geflasht, und jetzt war er froh, dass er wenigstens keinen Sex mit ihr einbezogen hatte. Stattdessen hatte er andere Dinge heraufbeschworen: das Schwimmen im Endlospool mit Blick auf den Pazifik und den aufgehenden Mond, die hastige Dusche und das schnelle Überstreifen des Hale, weil sie zu spät für ihre Dinnerreservierung dran waren, und schließlich ihr Weg auf dem Speiselanai zwischen flackernden Fackeln und ihre Unterhaltung, während am dunklen Himmel über ihnen die Sterne erschienen. Es hatte nach
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