Flatline
des Dengue-Schock-Syndroms. Die Stabilität seines Kreislaufes ist kaum noch herzustellen.«
Mwandala machte eine kurze Pause, sprach mit gesenkter Stimme weiter.
»Uns bleibt wenig Hoffnung, um ehrlich zu sein.«
»Man muss doch irgendetwas tun können!«
Doktor Mwandala presste die Lippen zusammen. Eugen Strietzel erzählte von dem Obduktionsbefund Lamberts. Mwandala nickte zustimmend.
»Ich habe davon gehört. Es gibt eine Reihe Wissenschaftler, die fieberhaft an einem solchen Impfstoff forschen. Aber ich fürchte, die Zeit reicht nicht mehr.«
»Wie lange haben wir noch?«
Strietzels Frage schoss Joshua durch Mark und Bein. Bis vor wenigen Augenblicken waren Vertrauen und Optimismus grenzenlos. Sein Freund hatte eine schwere Krankheit. Ihn quälte pausenlos die Frage, wann er gesund würde. Die Frage, ob er gesund würde, hatte Joshua nie gestellt. Sie kam ihm absurd vor. Die Krankheit war erkannt, das Monster saß in der Falle. Nur eine Frage der Zeit, bis die Mediziner es eliminiert hätten.
»Schwer zu sagen. Mit viel Glück noch zwei bis drei Tage. Vielleicht auch vier. Es tut mir wirklich leid.«
Joshua fühlte sich, als sei er mit voller Wucht vor eine Wand gelaufen. Eine Mauer aus harter, unverrückbarer Realität.
28
Als sein Sohn David ihn wecken kam, war es bereits elf Uhr. So lange und gut hatte Joshua seit Jahren nicht mehr geschlafen. Seine gute Laune überdauerte nur den winzigen Moment, den er benötigte, um den gestrigen Tag in seine Erinnerung zu holen.
Das kalte Duschwasser vermischte sich mit Tränen. Am Waschbecken schleuderte er sich mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht. Im Spiegel zeigte sich ein deprimierendes Bild. Hängende Gesichtszüge, die Haut so blass wie die Fahne der Kapitulation.
Würde Jack dich so schnell aufgeben?
Die Stimme des Gewissens umklammerte sein Herz wie eine unsichtbare Hand. Sie drückte es zusammen, pumpte das Blut mit der unerschöpflichen Kraft der Hoffnung durch die Venen. Das beklemmende Gefühl der Ohnmacht wich dem Glauben an eine Chance. Die winzigen Körner in der Sanduhr, die Doktor Mwandala umgedreht hatte, gerieten ins Stocken.
Als er Janine bei einem Teller Müsli davon erzählte, gab er sich kämpferisch, verband seine Euphorie eng mit Doktor Rosenbaum. Janine schwieg.
Vor dem Landeskriminalamt war reger Betrieb. Überall standen Übertragungswagen von Radio- und Fernsehanstalten. Der Innenminister des Landes hatte am Morgen in einem Fernsehinterview versichert, dass es noch keinerlei Erkenntnisse gäbe, die auf eine Verbreitung der gefundenen Erreger schließen ließen. Der Nachfrage nach dem Gegenteil wich der Politiker standesgemäß, mit vielen Worten und wenig Inhalt, aus. Schorndorf stand währenddessen wie ein braver Schuljunge hinter dem Minister. Nachdem dieser geendet hatte und jemand dem Behördenleiter ein Mikrofon entgegenhielt, schaltete der Sender ab.
Um dreizehn Uhr traf sich eine verkleinerte SoKo, bestehend aus sieben Leuten, im Pausenraum des LKA. Kalle brachte aus Krefeld eine Espressomaschine und Kuchen mit. Den Dienst an Sonntagen versuchten sie stets, so angenehm wie möglich zu gestalten. Kalle füllte Zuckerwürfel in ein Schälchen auf dem Tisch und stellte den halb vollen Karton anschließend neben seine Tasse.
Joshua gab die Ereignisse der letzten Nacht wieder. Nachdem er die Prognose Doktor Mwandalas ausgesprochen hatte, breitete sich entsetzte Stimmung aus. Strietzels Bericht befand sich mittlerweile als Kopie bei den Ermittlungsakten. Karin fasste Joshuas minimale Hoffnung in Worte.
»Wenn ich das richtig sehe, ist der Mörder, den wir jagen, der einzige Mensch, der eventuell in der Lage ist, Jack das Leben zu retten.«
»Theoretisch«, griff Kalle den Satz der Kollegin auf, »selbst wenn wir den Mörder finden würden und selbst, wenn es uns gelingen sollte, den Impfstoff bei ihm sicherzustellen, wie stellt ihr euch das vor? Sollen wir damit zur Uni fahren und es Jack persönlich injizieren? Wir haben keine Chance!«
Frustriert schlug Joshua mit der Faust auf den Tisch. Kalle hatte vollkommen recht. Niemand würde es erlauben, einen nicht zugelassenen Impfstoff, noch dazu von einem wahnsinnigen Mörder entwickelt, zu verwenden.
Den Kollegen der Untergruppe Uni war es gelungen, Adresslisten von Studenten zu erhalten. Sie hatten am gestrigen Samstag über fünfzig Studenten privat aufgesucht. Auf diese Weise war es ihnen gelungen, die Namen und Adressen von vier
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