Fleckenteufel (German Edition)
ich mir vor dem Eincremen die Rosette waschen, aber das ist sehr riskant, denn es gibt nur eine Gemeinschaftsdusche. Was, wenn mich einer in gebückter Haltung und eingeschäumter Rosette erwischt, das sieht ja wohl total behindert und schwul aus. Dann bin ich geliefert. Trotzdem wage ich es, und zwar aus einem einzigen, ganz bestimmten und schwerwiegenden Grund: ICH MÖCHTE BIS INS HOHE ALTER MEINE SCHÖNE ROSETTE IN ABSOLUTEM TOPZUSTAND ERHALTEN. Deswegen und ausschließlich deswegen wasche ich mir nach jedem Kacken sofort die Rosette, damit sie für immer so aussieht, wie sie heißt: nämlich rosa. Rosetten dunkeln im Laufe des Lebens nämlich ein und werden über verschiedene Braunabstufungen schließlich tiefschwarz. Hunderttausendmal geschissen und nicht richtig abgewischt, das Ergebnis ist irgendwann verbrannte Erde. Ein abschreckendes Beispiel dafür ist mein ehemaliger bester Freund Axel, der mit seinen Eltern letztes Jahr nach Frankfurt gezogen ist, weil sein Vater als Berufssoldat alle paar Jahre aus fadenscheinigen Gründen versetzt wird. Schade. Sehr schade sogar, denn wir haben es miteinander getrieben wie die Tiere. Es fing ganz harmlos an, Doktorspiele, meinen ersten Zungenkuss habe ich von ihm bekommen, wir haben gefummelt und uns aneinander gerieben, erst mit, später ohne Unterhosen. Gegenseitig abgemolken. Wenn er mich als Ersten fertiggeschrubbt hatte, hatte ich nie Bock, ihn auch zu Ende zu wichsen, aber was blieb mir übrig unter Freunden. Arschuntersuchungen haben wir natürlich auch angestellt, und jetzt kommt’s: Axels Rosette war bereits kohlrabenschwarz. Mit vierzehn! Muss man sich mal vorstellen, kann sich kein Mensch vorstellen. Vielleicht ist die Rosettenfarbe erblich, doch selbst wenn der liebe Gott einem kein Toploch mitgegeben hat, muss man versuchen, das Beste daraus zu machen. Nach dem Kacken die Rosette einseifen kann sich ja wohl jeder angewöhnen. Ich überprüfe meine ungefähr alle vierzehn Tage in einer komplizierten Aktion aus Badezimmerspiegel, Bücken und Kosmetikspiegel meiner Mutter, na ja, kann man sich ja denken, wie das ungefähr geht.
So, fertig, ein Glück. Ordentlich abtrocknen und eine Ladung Niveacreme in die Kimme. Von einer Sekunde zur nächsten ist der Schmerz weg. Wahnsinn. Die Wundercreme ist so genial, dass es mich nicht überraschen würde, wenn sie sogar noch über eine versteckte Bleichwirkung verfügt. Wieso nennt man Schuhcreme eigentlich Wichse? Ich werde bei Gelegenheit mal jemanden fragen. Übrigens sollte man keine dunklen Unterhosen tragen, wenn man gerade eine Fuhre Nivea zwischen den Beinen kleben hat.
Bimmel bimmel. 18.30 Uhr. Andachtszeit. Es hat sich eingenieselt. Wir sind ungefähr sechzig Leute, ein Drittel Erwachsene, zwei Drittel Jugendliche. In der Mitte der Wiese stellen wir uns im Kreis auf, vorher nimmt sich jeder eine aus losen Zetteln zusammengeheftete Liedermappe von einem Stapel. Neben dem Stapel stehen zwei Paletten mit Seifenblasentuben. Hä? Ich verstehe nicht, was das soll, aber da sich alle eine genommen haben, mache ich es ihnen nach. Peter Edam grinst über beide Backen. Er hat eine Wandergitarre umgehängt, sein hellblaues T-Shirt ziert der Aufdruck «Jeder Christ ein Gitarrist». Wolfram Steiß steht neben Pastor Schmidt und hat ein strafendes Gesicht aufgesetzt. Passend zur Miene das T-Shirt: «Jesus Christus starb für dich – was tust du für ihn?» Pastor Schmidt trägt als Pastor natürlich kein T-Shirt, sondern ein Oberhemd, wie es sich gehört, und wartet darauf, dass langsam mal Ruhe einkehrt:
«Wir singen aus dem Lied Nr. 45 die Strophen 1, 3, 4, 7 und 9.»
Danke , der ödeste Christenschlager aller Zeiten. Das Lied hat ungefähr tausend Strophen und ist damit zu lang für nur eine Abendandacht. Wieso hat Schmidt die Strophen 1, 3, 4, 7 und 9 ausgesucht? Vielleicht gibt es irgendeinen Zusammenhang mit dem Inhalt der Andacht. Danke, lalalalalalala. Danke, lalalalalaa. Endlich ist das Kackstück zu Ende.
Pastor Schmidt: «Ich blicke in fröhliche, aufgeregte, gespannte, aber auch in ein paar ernste Gesichter. Viele fahren schon zum wiederholten Male mit auf die Familienfreizeit, andere, die frisch Konfirmierten zum Beispiel, zum ersten Mal. Selbst einige, die schon öfter auf Freizeiten waren, sind noch aufgeregt. Da ist jemand sogar schon Stunden vor der Abfahrt am Gemeindehaus gewesen.»
Er wirft mir einen kurzen Blick zu. Das gibt’s doch nicht, woher weiß der das? Ob die olle Roth gepetzt hat?
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