Fleckenteufel (German Edition)
Gedanken leerzusaugen. Bewusstseinswichsen, das nennt man dann auch nicht mehr Onanie. Auch interessant: Gandhi hat mal mit mehreren jungen, geilen Weibern die Nacht verbracht, in der festen Annahme, danach endgültig von der Fleischeslust befreit zu sein. War aber nicht so. Es lief zwar nichts, aber hinterher war er spitzer als je zuvor. Das muss man sich mal vorstellen! Mahatma Gandhi ist trotz jahrzehntelanger Askese und spiritueller Übungen wie alle anderen in die Knie gegangen. Und da war er wohlgemerkt kein junger Mann mehr, sondern ein Heiliger.
Meine Güte, ist das heiß. Viel zu heiß, um an die durchgefrorenen Landser im Zweiten Weltkrieg zu denken, das wäre jetzt echt Quatsch. Peter Edam schnarcht, dass der ganze Strand vibriert. Der trinkt bestimmt heimlich, denke ich, heimlich unheimlich, würde meine Oma jetzt sagen. Gestern war er noch so panisch, und jetzt röchelt er vor sich hin, als gäb’s kein Morgen. RRRRRRAAAAARRRCH. Minutenlanger Atemstillstand. So schnarchen nur Säufer.
Vom Meer kommt eine Möwe angeschwirrt. Schwirr, flatter, segel. Sie wird langsamer und langsamer, und je näher sie kommt, desto klarer wird mir, dass sie ein bestimmtes Ziel vor Augen hat: Peter Edam. Gleich wird sie ihm ins Gesicht scheißen, ich weiß es einfach. Eigentlich hab ich’s überhaupt nicht mit Träumen oder Ahnungen oder Vorhersehungen, ich hab in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Traum gehabt, der Wirklichkeit geworden ist: Abba gewinnt den Grand Prix. Muss man sich mal vorstellen, Abba, die kannte damals keiner, ich auch nicht, aber ich hab’s exakt so geträumt, wie es wenige Tage später gekommen ist.
Und jetzt wird zum zweiten Mal eine Eingebung Realität: Die Möwe trifft den dummen Peter unterhalb des Auges an der rechten Wange. Volltreffer, Schiff versenkt. Er zuckt kurz mit den Mundwinkeln, dann schnarcht er weiter. Ich schaue mich um, alle dösen, lesen, schwimmen, schwatzen, keiner hat was bemerkt. Das Vieh macht einen großen Bogen und fliegt erneut auf Peter zu. Ja, denke ich, jetzt scheißt sie ihm einen schönen Vollbart, damit er endlich so aussieht wie Pastor Schmidt und Diakon Steiß. Später, wenn er sein Gesicht im Spiegel betrachtet, wird ihm plötzlich klar, dass ihm so ein Bart hervorragend steht. Dann wäscht er die Kacke aus dem Gesicht und lässt sich einen richtigen Bart stehen. Doch die Möwe lässt Peter links liegen und verschwindet hinter der Steilküste.
Zum Mittagessen hat uns Frau Thieß Wurst- und Käsebrote geschmiert. Beilage Gewürzgurken und Tomatenachtel, zum Nachtisch Butterkuchen. Was die fünf Freunde jetzt wohl gerade für unwahrscheinliche Leckereien in sich hineinstopfen? Lange nichts mehr von ihnen gehört, die fünf Freunde verblassen, wie die Landser, langsam, aber sicher im Glanz des größten lebenden Schriftstellers Charles Bukowski.
Ihr vielleicht bestes Abenteuer bestreiten die fünf Freunde um, bei und auf einem Leuchtturm, und so heißt das Buch auch: Fünf Freunde auf dem Leuchtturm . Da man auf Leuchttürmen bekanntermaßen von der Außenwelt abgeschnitten ist, benötigt man besonders viel Proviant und Notreserven: Ihre Mutter hat zwei Tage und zwei Nächte in der Küche gestanden und einen riesigen Picknickkorb vorbereitet: extradicke Salami, knusprig gebratene Hühnchenbrust, hartgekochte Eier, Kartoffelsalat, zartes Roastbeef mit Remouladensoße, ein Brot- und Brötchenkorb, Hackbällchen mit Ketchup, Senf und Mayonnaise, Obstkuchen (Kirsch und Himbeer), knusprige Kekse, knackfrische Kartoffelchips, leckeres Weingummi und ein mit Weintrauben und Salzstangen dekorierter Käseteller. In der westlichen Ecke des Picknickkorbs finden Kühlelemente Platz, damit Erdbeeren, Joghurt und köstlich-prickelnde Limonaden stets eiskalt und frisch bleiben.
Irgendwie herrlich, so eine Badetag. Man kann förmlich spüren, wie die Haut braun wird, das Haar ausbleicht, der Körper sich strafft und man eins wird mit Sonne, Sand, Meer, Natur, Steilküste und Gezeiten. Bei mir ist das leider nur Einbildung, beim schönen Heiko nicht, dem genügt bereits ein lächerlicher Badetag, um auszusehen wie Tarzan. Er hat die Ellenbogen im schneeweißen Sand aufgestützt und blickt gedankenverloren auf die unendliche See. Friedlich und blau, mit winzigen Wellen und noch winzigeren Krönchen, harmloser kann ein Meer nicht aussehen. Dabei ist es in der Lage, sich in Sekundenbruchteilen in einen brüllenden Moloch zu verwandeln, der schon für Abertausende deutscher
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