Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
heil herauskommen?
„Du hast es gestohlen“, erwischte er sie da auch schon mit aller Schärfe.
„Ich habe es nicht gestohlen, ich ... habe es in einer Kirche gefunden, und ich habe es dem Pater gezeigt, und der hat gesagt, ich solle es behalten, weil es Gottes Wille sei, dass ich es gefunden habe, ich ...“, nein, schwören sollte sie das wohl lieber nicht.
Junker Johann stand ganz langsam auf und bewegte sich mit lauernden Schritten auf sie zu. Sie wich zurück. Sämtliche Furcht, die sie anfangs für unnötig befunden hatte, in ihren Beinen.
„Mila heißt du, oder?“, erkundigte er sich sanft, obwohl er ihren Namen in der Zwischenzeit kaum vergessen haben konnte.
Sie presste die Lippen aufeinander und schluckte.
„Mila – ich erkenne, wenn man mich anlügt. Und ich möchte die Wahrheit wissen. Woher hast du dieses Buch?“
„Ich habe es nicht gestohlen, Herr, das schwöre ich bei Gott.“
„Das glaube ich dir sogar“, verblüffte er sie im selben Moment.
„Was?“ Und schon wieder hatte etwas ihren Mund verlassen, was sie hätte hinunterschlucken müssen.
Junker Johann lachte laut auf. Lehnte sich in einer aufreizenden Art im Stand zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Er durchschaute sie. Siegesgewiss. Er machte sich über sie lustig!
„Was solltest ausgerechnet du damit anfangen?“, fragte er jetzt leichthin. Stemmte die Hände in die Seiten und beugte sich vor, seine Stimme vertraulich senkend. „Wo solltest du denn lesen gelernt haben, nicht wahr?“ Er sprach mit besonders tiefer Stimme, als wollte er die Wirkung ihres Klanges erproben. „Deine Vorfahren waren Leibeigene, ohne jegliche Bildung – und auch du bist nur eine dumme Magd, gar nicht imstande, lesen zu lernen.“
Ihre Empörung war ihr ins Rückgrat gefahren – dass sich ihr Mund protestierend öffnete, konnte sie diesmal gerade noch rechtzeitig unterdrücken.
Sie war es nämlich, die er mit diesem Tonfall, mit seinen Unverschämtheiten, mit seiner Herablassung auf die Probe stellen wollte. Um sie dazu zu bringen, sich zu wehren, zuzugeben, dass sie sehr wohl des Lesens mächtig sei.
Um sie dann doch noch zur Diebin zu machen?
Doch diesmal war sie klüger und würde sich herauswinden. „Nein, natürlich kann ich nicht lesen, Herr.“ Hatte sie entgeistert genug geklungen?
In der Miene des jungen Mannes flackerte Respekt auf. „Du bist nicht so dumm, dich provozieren zu lassen“, stellte er nachdenklich fest – um in der nächsten Sekunde völlig unvermittelt auf sie zu zu springen und Mila nun wirklich zusammenfahren zu lassen. Mit einem Ruck bohrte er ihr das aufgeschlagene Buch in den Bauch. „Desungeachtet dulde ich es nicht, wenn man mich anlügt. Lies mir vor!“
Mila wich vor ihm zurück. Konnte er es wissen? Naja – irgendjemand hatte sie offensichtlich mit dem Buch beobachtet. Und wenn sie sich jetzt dem ausdrücklichen Befehl widersetzte ...
Zögernd nahm sie dem Junker das Buch ab und senkte den Blick ein wenig, vorerst ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er starrte sie unverwandt grimmig an. Es hatte keinen Sinn, sich weiterhin zu weigern. Mila seufzte und las. Nicht allzu schnell, es kostete sie immer noch Anstrengung. „Flederzeit – Abschied von der Zukunft.“ Sie brach ab, warf einen Blick auf den Junker. Vielleicht reichte das schon? Doch der nickte nur auffordernd. Weiter!
Also gut. Mila seufzte, senkte gehorsam die Augen auf das Buch, schlug es irgendwo auf und las bedächtig: „... umständlich langte sie zum Nachtkästchen. Ihre Hand zitterte, als sie auf dem Tischchen herumsuchte, die Brille fand, sie hochhob und schließlich aufsetzte. 'Welche von euch beiden bist du?'“
„Was ist das, was du da liest?“, unterbrach der Junker sie – nun mit gänzlich unverstellter Stimme. Drängend, gierig, aber nicht als ihr Herr. Er entriss ihr das Buch wieder, deutete aufgeregt auf den Buchdeckel. „Wer kann eine Fledermaus so naturgetreu malen? Wer ist dieser“, er musste den Namen zuerst noch einmal lesen, „Matthias Peregrinus? Was ist das für eine absonderliche Geschichte, die er aufgeschrieben hat? In unnatürlich regelmäßigen Buchstaben, auf Seiten, die nicht aus Pergament zu bestehen scheinen. Ganz zu schweigen von diesem merkwürdigen Glas-Teil namens Brille, das da vorkommt – worüber mir einmal ein geheimnisvoller junger Mann eine haarsträubende Geschichte aus Ägypten erzählt hat. Und hier“, wieder blätterte er, und zwar zu der Stelle, die im Grunde alle
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