Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
rüttelte daran. Natürlich zu. Was, was, was nun? Ihm schwindelte. Vielleicht erst einmal hinsetzen? Direkt neben der Tür schob er mit den Füßen all das stinkende Zeug, so gut es ging, zur Seite, ehe er zu Boden sank. Sauber war etwas anderes. Der Geruch nach Elend und Fäulnis wurde überwältigend. Matthias würgte, der Schwindel wurde stärker. Verdammt, er würde jetzt doch nicht etwa ...? Doch die Schwärze, die sich über ihn senkte, war weich, ohne Verzweiflung und ohne Schmerz. Und sie stank kein bisschen.
Der Schwindel begleitete ihn auch noch, als er längst wieder wach geworden war. Was war nur mit ihm?
Inzwischen war es hell. Draußen zumindest. Im Kerker herrschte lediglich diffuses Zwielicht. Immerhin reichte es, um sein Gefängnis in Augenschein zu nehmen, die Wände aus roh behauenem Stein, die Kerkertüre aus hellbraunem, glattem Holz. In siebenhundert Jahren würde sie dunkel sein, fast schwarz, die Wände zerfurcht, teilweise verrottet.
So neu der Kerker jetzt auch war, die Einstreu war es eindeutig nicht. Dunkel war sie, nass, schmutzig. Wenigstens war es Matthias nun möglich, sich aus dem am wenigsten kontaminierten Stroh eine Art Lager zusammenzuscharren.
Die Stunden verstrichen, aber niemand kam. Matthias war durstig. Hungrig auch, aber der Durst war schlimmer.
„Hallo?“ Er klopfte an die Türe. Trommelte daran und brüllte. Umsonst. Schließlich stellte er sich unter die Luftschlitze, die seines Wissens auf den inneren Burghof hinausgingen, und rief. Irgendwer würde ihn doch hören.
Doch auch das blieb ohne jeden Erfolg.
Schwindel und Übelkeit waren schließlich durch die Brüllerei fast unerträglich geworden, seine Stimme heiser. Er musste sich eingestehen, dass er hier nicht nur eingesperrt war. Man hatte ihn in den Kerker geworfen, damit er hier verrottete.
Es dämmerte schon wieder, als er sich resigniert auf sein notdürftiges Lager legte. Müde war er, erschöpft, ausgelaugt. Er würde jetzt versuchen zu schlafen. Wahrscheinlich war es ohnedies besser, keine unnötige Energie mehr zu verschleudern.
„Zenta.“ Die Ärmchen weit offen, rannte Ilya, seinen Freudenschrei stetig wiederholend, der runden alten Frau entgegen, die hinter Johann in der Tür zu Milas Gefängnis aufgetaucht war. „Zenta, Zenta dehn.“
„Mein Liebling“, ging die mit erstaunlicher Leichtigkeit in die Knie. „Komm an mein Herz.“
„Herz“, wiederholte Ilya klar und deutlich.
„Ja, mein Schatz, wenn die Mama erlaubt, machen wir zwei einen Spaziergang über den Burghof. Was hältst du davon?“
„Die Mama ist natürlich einverstanden“, antwortete Johann gönnerhaft für Mila und schob Senta, die Ilya auf den Arm genommen hatte, auch schon rückwärts, aus dem Raum.
„Ist das in Ordnung, Mila?“, vergewisserte sich die ältere Frau, seitlich an Johanns sich extra breit gebärdender Gestalt vorbei.
Da konnte die natürlich nicht anders. Ganz davon abgesehen, dass ein Ausflug im Sonnenschein der neuen und spannenden Umgebung der Burg voll in Ilyas Interesse war. Und Mila hatte Senta, Johanns Mutter, sehr gern.
„Geht nur“, rief sie den beiden nach, Johann demonstrativ ignorierend.
Der wirbelte herum und fasste sie von hinten um die Taille, zog sie an sich heran. „Wir machen es uns schon nett miteinander, nicht wahr?“
Mit einem Ruck riss Mila sich los, sprang von ihm weg, ans Fenster. „Das werde ich nicht. Es ist vorbei.“
Erwartungsgemäß gab Johann sich unbeeindruckt, trat an die Tür, um sie zu schließen und betont sorgfältig zu verriegeln. Von innen. Als er sich dann zu ihr umwandte, lag ein vielsagendes Grinsen auf seinem Gesicht. „Das 'Ich zier mich, du fängst mich'- Spiel. Eine gute Wahl.“
„Ich habe dir gesagt, dass ich nicht mehr spiele“, stellte Mila mit erhobenem Kinn klar.
„Du tust es doch bereits“, war Johanns Mund diesmal sofort an ihrem Ohr. Rutschte an ihr Ohrläppchen, weiter, ihren Hals hinab.
Ihr Körper kannte das Spiel so genau, Johanns Zunge, seine Hände, die schon ihre Pobacken fassten ... Mila rammte ihm ihre Fäuste in den Bauch. Stieß sich ab, das Kribbeln in ihrem Innern fortschnaubend. „Ich will dich nicht mehr. Nein.“
„Nein?“ Seine schmeichelndste Stimme. „Und was sagt die Gänsehaut auf deinen Armen? Na?“
„Die ist mir egal. Ich sage nein. Ich!“
Johanns Ohr sank auf seine linke Schulter. Seine Augen. Auf ihr. Glitzernd.
„Ich will dich nicht“, sagte Mila mitten hinein. „Ich will
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