Fleisch ist mein Gemüse
mit dem Quatsch. Aber jetzt eben noch nicht! Wenigstens zweimal im Monat muss ich einfach Hallenluft schnuppern.
Peter und Walter habe ich das erste Mal nach vielen Jahren im Fernsehen wieder gesehen, bei der Beerdigung von Mutter Hannelore. Herrje. Monster, es waren Monster geworden, tonnenschwere Zyklopen aus einer dunklen Schattenwelt! Unternehmensberater? Iwo, richtige Freaks waren die beiden! Es wirdeben doch viel mehr vererbt, als man in den Siebzigern wahrhaben wollte. Ihre Harburger Imitate wohnen bestimmt immer noch in der Zwergensiedlung. Ich fahre mindestens einmal im Jahr dorthin und mache einen kleinen Spaziergang, doch keiner der beiden ist mir je über den Weg gelaufen. Wäre ja auch ein Zufall! Nachtprogramm höre ich gar nicht mehr. Ich schätze, dass Erwin Lehn mitsamt dem feinen Südfunk-Tanzorchester Stuttgart längst im verdienten Ruhestand ist. Ich bedanke mich nochmal für die schönen Stunden und wünsche von dieser Stelle aus alles Gute.
Auf Wiedersehen, bleib nicht zu lange fort!
Mit Tanzmusik habe ich nichts mehr zu tun. Einerseits bin ich froh, nicht mehr siebzigmal im Jahr auf irgendwelchen morschen Bühnen stehen zu müssen, andererseits hätte ich auch nichts dagegen, ab und an zu mucken, besonders zu Silvester. Ich war die ganzen Jahre froh, dieses schrecklichste aller Feste nicht selbst gestalten zu müssen.
Manchmal gucke ich im Internet nach den alten Bands:
Günters Band, Celebration, Die Cheery Band, Partytime, Memories
. Es gibt sie fast alle noch, zum größten Teil in neuen Besetzungen, aber die hervorragenden Namen haben eben Bestand für die Ewigkeit. Und der technische Fortschritt macht den Beruf für die Herren Musiker zu einem richtigen Vergnügen! Vom Industrie- ins Informationszeitalter, und das in weniger als einer Generation, da wird einem schon vom Zuhören schwindlig. Von der schweißtreibenden Sklavenarbeit vergangener Tage ist nichts übrig geblieben, jetzt geht der Hightech. Als ich 1985 bei
Tiffanys
anfing, musste noch jede gottverdammte Note einzeln gespielt werden, sinnlos verrann kostbare Lebenszeit beim Kabelrollen, schmutzig und in peinlichen Anzügen mühten sich die Musiker mit blutig gespielten Händen an einer viel zu anspruchsvollenAufgabe ab. Der heutige Profimucker hingegen versteht sich als kleines, aber feines Dienstleistungsunternehmen. Wer schwitzt, ist selber schuld. Lächelnd stehen die Mucker endlose Stunden auf der Bühne und verrichten ihren Job, ohne dass jemals auch nur ein falscher Ton erklingt. Die Leute: begeistert! Die letzte bedeutende Innovation war ein Monitor, der direkt am Keyboard angebracht ist und wie eine Karaokebox funktioniert: Endlich müssen die Texte nicht mehr mühsam herausgesucht werden, brechen keine fragilen Notenständer mehr unter der Last einer mehrere tausend Titel umfassenden Songmappe zusammen. Nein, wenn das Midifile eingelegt wird, erscheint automatisch der Text auf dem Monitor. So bleiben Zeit und Kraft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und peinliche Fehler zu vermeiden.
In Nikita it is cold, in your little carnon in the word
– das gibt es nicht mehr. Wer wie gut englisch spricht, ist schließlich Privatsache und gehört nicht auf öffentliche Bühnen gezerrt. Ich vermute, die nächste, die finale Innovation wird eine Art Voice Converter sein, in den man den Text nur irgendwie hineinsprechen muss. Der Converter wandelt dann das verranzteste Alkoholikerorgan in eine akkurat intonierte Baritonstimme. Geht bestimmt.
Rock- und Popmusiker haben ein aufregendes Leben, so liest man es zumindest allenthalben. In den einschlägigen Biographien geht es um Energie und Rebellion, um Drogenpartys, sexuelle Grenzsituationen, historische Momente von Aufbruch und Veränderung und unnötige Geldausgaben im großen Stil. Wen das interessiert, dem sei die hervorragende Bandbiographie
The Dirt
der Glamrockband
Motley Crue
ans Herz gelegt.
Tanzmusik hat mit alldem nichts zu tun, es ist der große Gegenentwurf: Es passierte in all den Jahren so wenig, dass ich oft das Gefühl hatte, die Zeit würde stillstehen. Knut, spiel doch nochmal den Hamburger! Knut mit seinen dicken Eiern war der einzige Mensch auf der Welt, der die Zeit anhalten kann.
Die Welt der Tanzmusik ist eine Art Paralleluniversum zur Welt der populären Musik, wie sie in Radio, Fernsehen und in den Printmedien stattfindet. Sie ist die Dritte Welt der Musik. Ihre Musiker in den immer gleichen Glitzersakkos haben neben ihrer Armseligkeit auch etwas
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