Fleisch ist mein Gemüse
Rührendes.
Tanzmusik ist weder cool noch sexy. Tanzmusik hat nichts mit Kunst zu tun, sie hat noch nicht einmal besonders viel mit Musik zu tun. Viele Mucker sind nicht nur unmusikalisch, sondern interessieren sich in Wahrheit auch überhaupt nicht für Musik. Ihre oft nicht mehr als ein, zwei Dutzend Exemplare umfassenden C D-Sammlungen bestehen meist aus Samplern wie
Die Superhits von 2003, Best of Smokie
oder
Cats – Der Soundtrack
. Tanzmusik ist harte Arbeit und wahnsinnig langweilig. Ich wüsste keinen Musiker, der einen Tanzjob jemals als Auftritt bezeichnet hätte. Und noch nicht einmal bei meinem allerersten Job mit
Holunder
habe ich so etwas wie Lampenfieber verspürt. Wenn ich als Würstchenverkäufer mehr verdient hätte, wäre ich eben Würstchenverkäufer geworden. Oder Clown. Oder junger Mann zum Mitreisen. Die weit überwiegende Zahl der deutschen Tanzbands sind Amateurkapellen wie
Tiffanys
, die weder ihre Instrumente beherrschen noch gut singen können. Vom Aussehen ganz zu schweigen. Wie oft habe ich mich geschämt für das unförmige Paulchen-Panther-Sakko, die miesen Stücke, den miesen Sound, das Unvermögen meiner Kollegen und vor allen Dingen wohl dafür, dass ich aus meinem Leben nicht mehr habe machen können. Ich war oft so verzweifelt und habe so sehr mit meinem Schicksal gehadert, dass ich einfach nicht fröhlich aussehen konnte.
Dabei wär ich’s gern gewesen! «Guckt mich an, ich gebe mir Mühe, ich spiel doch für euch. Hört das denn keiner, verdammte Scheiße?» Das Publikum auf Tanzveranstaltungen interessiert sich aber nun mal nicht für Saxophonsoli und schon gar nicht für die persönlichen Probleme der Musiker. Warumauch? Die Leute können schließlich nichts für das Schicksal des miesepetrigen Bläsers.
Oft habe ich darüber nachgedacht, ob ich das, was ich in zwölf Jahren Tanzmusik erlebt habe, nicht auch in einem halben Jahr hätte durchziehen können. Die vielen Stunden sinnlosen Rumhockens in unwirtlichen Festsälen, Einspielen in zugigen Toiletten, die langen Fahrten, die immer gleichen, endlosen Mucken, das mühsame Aufundabbauen, die ewigen Spiegeleier. Doch jeder Mensch hat sein eigenes Tempo, und rückblickend glaube ich, dass ich ebendiese Zeit gebraucht habe. Außerdem hätte ich sonst sicher kein Buch darüber geschrieben. Tanzmusik war Teil meines Lebens. Dass dieser Abschnitt so trist ausfiel, dafür kann die Tanzmusik nichts, sie hat nur hervorragend dazu gepasst.
Heute habe ich außer zu Norbert keinen Kontakt mehr zu meinen Kollegen. Mit Norbert verbindet mich immer noch ein warmes, freundschaftliches Gefühl, obwohl wir uns nur selten sehen und komplett unterschiedliche Leben führen. Er wohnt schon längst in seinem wunderschönen, biesterfreien Bunker auf 5000 Quadratmetern Naturgrundstück. Jens ist immer noch im Glück, ich habe jedenfalls nichts Gegenteiliges gehört. Torsten habe ich zufällig mal auf dem Hamburger Hauptbahnhof getroffen. Er machte einen aufgeräumten Eindruck, und ich hätte mich gern etwas länger mit ihm unterhalten, aber er war in Eile. Maik hat in den gemeinsamen Jahren viele Kontakte geknüpft und sein Schlagzeugspiel weiter verbessert. Er ist heute ein richtiger Vollblutmucker, der in verschiedenen Bands spielt und gut von der Musik leben kann. Gurki dagegen hat es geschafft, den guten, in fünfzehn Jahren sorgfältiger Aufbauarbeit etablierten Namen innerhalb kurzer Zeit gründlich zu ruinieren, indem er irgendwelche Jubelperser auf die Bühne stellte, die dann so getan haben als ob. Im Gegensatz zum Hamburger Tanzmusikpapst Günter Petersen hatte er jedoch von Keyboardsund Sequenzern keine Ahnung, und das muss dann alles ziemlich furchtbar geklungen haben. Trotzdem scheint es
Tiffanys
noch zu geben, wenn man dem Internet glauben darf. Ich habe auf dem Foto allerdings keinen mir bekannten Musiker identifizieren können. Das Motto der Band lautet immer noch:
Vorhang auf, Ihr Fest beginnt
!, und das Repertoire reicht nach wie vor
von festlich bis fetzig.
Und denken Sie daran:
Auch Taxis sind Autos
.
Wir haben in fünfzehn Jahren schätzungsweise 25 000 Eier verdrückt und etwa 800 Mucken gespielt. Und fast immer haben wir uns Mühe gegeben. Hopp hopp hopp, auf geht’s, meine Herren, die Leute wollen tanzen! Wenn ich mich recht erinnere, waren die Veranstalter nur zweimal unzufrieden. Das soll uns erst mal jemand nachmachen! Und rührend war es manchmal doch, wenn wir ganz am Ende einer langen
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