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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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hintereinander und wählte dann mit feuchten Händen die Telefonnummer mit der Lüneburger Vorwahl.
    «Musikhaus
Da Capo
, Beckmann, guten Tag.»
    Statt
Ohrenschmaus
nun also
Da Capo
.
    «Hallo, Heinz Strunk hier. Ich ruf an wegen der Mucke, ich würde gern Gurki sprechen.»
    «Der ist am Apparat.»
    «Ach so. Ich hab die Nummer von Jörg vom
Ohrenschmaus

    «Schön, dass du anrufst. Also, das geht um ein Schützenfest in Moorwerder, die wollen da dieses Jahr fünf Mann haben, am liebsten mit Saxophon.»
    «Ich spiel auch Flöte.»
    «Super. Der Mann ist gut, das hör ich schon, hehehe.»
    «Ja, hoffentlich.»
    «Und, Sonnabend und Sonntag, geht das bei dir?»
    «Da ist gerade was ausgefallen, und jetzt kann ich wieder», log ich.
    «Alles klärchen. Sonnabend sind sieben Stunden, von acht bis drei Uhr, und sonntags nochmal fünf Stunden, von acht bis eins.»
    «Normal.»
    «Kennst du dich aus? Hast du schon mal Tanzmusik gemacht?»
    Die Frage konnte ich bejahen. Ich hatte meine ersten Erfahrungen schon mit neunzehn in der Kapelle
Holunder
gesammelt. Meine vier Kollegen waren sympathisch abgehalfterte Typen um die vierzig. Jens, der Organist, Weinbrandtrinker alter Schule, hatte ein Gesicht, wie es nur hochprozentiger Alkohol im Laufe vieler Jahre zu schnitzen vermag. Er war einer der letzten reinen
Organisten
, d.   h., er spielte keine Synthesizer und Keyboards, sondern eine wunderschöne alte Hammond B3 mit dem dazugehörigen Leslie. Geprobt wurde einmal die Woche in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Er war wie alle Bunker auf der ganzen Welt dunkel, feucht und roch nach verlorenem, altem Krieg. Der Übungsraum lag im fünften Stock. Dort schafften wir uns
Deine Spuren im Sand
,
Hello, Mary Lou
oder auch ein
Walzermedley mit den schönsten Melodien von Johann Strauß
drauf. Nach Feierabend aßen wir in der Kneipe gegenüber meist noch Currywurst mit Kartoffelsalat. Stumm wie ein Fisch saß ich im Kreis meiner erwachsenen Kollegen und hielt den Mund, wie es sich für junge Leute gehört. Wir hatten fast jeden Samstag einen Job und mussten dann immer unsere tonnenschwere Anlage die engen Treppen des Bunkers nach unten und morgens um fünf oder sechs wieder nach oben wuchten. Ich hatte große Angst um meine Wirbelsäule, denn ich war ja noch im Wachstum. Hans, der Schlagzeuger, fuhr das Bandauto, einen maroden Mercedes mit Anhänger. 99   Prozent aller schrottreifen Mercedesse mit Hänger, die am Wochenende die Autobahnen blockieren, sind mit Tanzbands besetzt, die gerade auf dem Weg zur Mucke sind. Auf jeder Rückfahrt war Hans besoffen; ein Wunder, dass wir nie erwischt wurden. Bei meiner allerersten Mucke im Herbst 1981 staunte ich nicht schlecht, als plötzlich Kinder zum Bühnenrand kamen und nach Autogrammen fragten. Da brat mir doch einer nen Storch, die kennen mich gar nicht, und ich muss hier schon Autogramme geben! Ich schätzte daraufhin unseren Prominentenstatus falsch ein, denn es sollten die ersten und letzten Autogramme bleiben, die ich während meiner gesamten Tanzmusiklaufbahn geben musste. Nachdem wir ein Set mit
When the saints
beendet hatten, gingen die Kollegen zum Tresen, während ich unschlüssig auf der Bühne stehen blieb. Ein dickes Mädchen kam zur Bühne getrottet, blieb direkt vor mir stehen und beobachtete mich, ohne ein Wort zu sagen. Mir fiel auch nichts ein. Das eine Auge ihrer bunten Kinderbrille war mit einem Pflaster verklebt. Es vergingen sicher zwei Minuten, dann sagte sie:
«Holunder, Holunder, die Welt wird immer runder.»
Sie drehte sich um und schob ab.
    Das Mädchen sollte Recht behalten. Wegen irgendwelcher Zwistigkeiten löste sich
Holunder
ein Jahr später auf, und ich blieb erst mal ohne weitere Engagements.
     
    Ich sagte Gurki, dass ich bereits in drei Tanzbands gespielt hätte.
    «Klingt doch gut. Wir probieren das einfach mal aus. Es gibt für beide Tage sechshundert, ist das in Ordnung für dich?»
    Meine Güte, sechshundert Mark, ein Geldregen!
    «Ja, ist okay.» Ich bemühte mich, möglichst gleichgültig zu klingen.
    «Alles klar, dann Sonnabend in einer Woche in Moorwerderauf dem Festplatz, das findest du schon. Kannst du gegen sechs Uhr da sein?»
    «Äh, das ist gerade ein bisschen schwierig mit dem Hinkommen.»
    «Wieso, hast du kein Auto oder was?»
    Ich hatte noch nicht einmal einen Führerschein, aber das wollte ich nun wirklich nicht zugeben. Mucker ohne Auto, so was gibt’s gar nicht.
    «Doch, natürlich, aber mein Lappen ist gerade weg, die

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