Fleisch und Blut - Der Kannibale
entfernen. Und danach war immer noch viel zu tun.
Nachdem er Kusi über Nacht im Kühler aufbewahrt hatte, konnte er am Morgen weiterarbeiten; den Körper in Teilstücke zerlegen und saftige Stücke vom Fleisch fachgerecht zuschneiden in Plätzli, Koteletts – in das ganze Sortiment. Dann kam die Wursterei. Es war eine immense Arbeit. Doch glücklicherweise beherrschte er das Metier. Am Schluss blieben die Knochen: wie immer entsorgte er einige Knochenstücke im Wald, immer an einem anderen Ort. Ausser beim Journalisten hatte er eine Ausnahme gemacht. Doch das war ein anderes Thema und gehörte eigentlich nicht zum Ritual.
Bei Kusi wollte er sicher gehen, dass seine Überreste auffallen und somit rasch gefunden würden. Er wünschte sich, die Medien würden wieder über seine Heldentat berichten. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war Balsam für seine zerrüttete Seele.
Der Schlachtvorgang war Pflicht gewesen, nun folgte die Kür. Es war an der Zeit, sich um die Vorbereitungen in der Küche zu kümmern.
«Das Fleisch muss man essen, solange es noch frisch ist.»
Er war sicherlich kein Kostverächter. Er schätzte jedes Stück, das satt oder Sinn machte. Es galt jedoch, die magische Macht des Kadavers zügig zu verspeisen und die anderen Teile sofort zu konservieren. Den Überlieferungen zufolge löste sich die Verbindung zwischen Körper und Seele nach drei bis vier Tagen auf. So war seine Vorstellung, so hatte es ihn sein Vater gelehrt.
Als er ein ansprechendes Stück Fleisch in den Händen hielt, es von oben bis unten betrachtete und dann zärtlich mit dem Finger darüber strich, stieg sein Verlangen nach dessen nährender Kraft. Er verspürte das unbändige Verlangen, sich Kusi einzuverleiben, Teile seiner Persönlichkeit und seines Mana in sich aufzunehmen.
Er sinnierte über Kusi nach. Er kannte seinen Lebenswandel und den damit verbundenen Zustand seiner Gesundheit zu wenig. Er wusste auch nicht, ob Kusi in letzter Zeit Medikamente oder Drogen zu sich genommen hatte. Trotz aller Liebe zu seinem alten Schulfreund wollte er lieber auf die Zubereitung der Innereien verzichten. Bei Menschen ab dem vierzigsten Altersjahr war in dieser Beziehung speziell Vorsicht geboten, Nicht nur wegen den chemischen Substanzen, auch wegen der Übertragungsgefahr von Krankheiten wie zum Beispiel Hepatitis.
Ihm blieben immer noch ausreichend leckere Stücke, die er bedenkenlos in sich aufnehmen konnte. Immer eine gute Wahl waren die Muskeln. Hier musste er einfach darauf achten, dass sie gut durch bis zartrosa im Innern gebraten wurden. Muskeln liessen sich – wenn es mal schnell gehen sollte – unter Beifügen von Wasser auf dem Feuer auch bestens als Suppe kochen. Er brauchte lediglich das Muskelfleisch in Brocken zu kochen und mit Kräutern, Wurzeln und etwas Salz geschmacklich zu verfeinern. Er war stolz darauf, ein guter Koch zu sein.
Seine besondere Vorliebe galt dem saftigen Schinken. Zudem liessen sich Gesäss und Oberschenkel spielend zu vielerlei Spezialitäten verarbeiten. Vorzugsweise waren dies saftige Steaks vom Oberschenkel und der fette Krustenbraten von der, mit einer ordentlichen Speckschwarte versehenen, Hinterbacke. Echt lecker war das.
Das eher fette Bauchfleisch hingegen verwertete er gerne als Suppenfleisch, während bei ihm der magere Rücken als krosser Braten auf den Tisch kam. Oder, wenn es mal besonders knusprig werden sollte, frönte er der Zubereitung im Freien: Er schnitt das Fleisch in Streifen und dörrte es bei kleinem Feuer unter Zugabe von etwas Fett auf Steinen.
Eine angenehme Leichtigkeit stieg in ihm auf. Er fühlte sich wie losgelöst als er aus der Küche hinüber in die Stube ging. Im Korridor verweilte er einen Moment und blickte mit Ehrfurcht auf das Familienfoto im goldenen Bilderrahmen. Er rückte es rechts um fünf Millimeter höher und ging dann zufrieden weiter in die Stube, wo seine beiden Schwerter präzis übereinander an der Wand hingen. Er hegte und pflegte sie, sie waren sein Ein-und-Alles. Manchmal nahm er sie von der Wand, um vor dem Spiegel einige Kämpferpositionen zu mimen. So, wie er sie in asiatischen Kampfkunstfilmen beobachtet hatte. Er strotzte beim Gedanken an seine Wichtigkeit voller Kraft, fühlte sich unbesiegbar.
Die Schwerter waren von einer Schärfe, wie sie kein anderes Werkzeug kannte und tödlich, wenn man mit ihnen in falsche Berührung kam. Erhobenen Hauptes ging er zurück in die
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