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Fleisch und Blut - Der Kannibale

Fleisch und Blut - Der Kannibale

Titel: Fleisch und Blut - Der Kannibale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Lee
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Aemisegger auf die Serviette und fühlte sich gerade etwas unbehaglich beim Gedanken, ein fettes Stück Fleisch in seinem Magen zu haben.
     

    Carla Fuchs verfolgte ihren Plan weiter: «Es war bereits bei den Neandertalern bekannt, dass sie das Fleisch von den Knochen Verstorbener schabten, assen und die menschlichen Überreste ihrer Opfer in einfachen Gräbern bestatteten. So abwegig ist der Gedanke, dass wir es mit einem Kannibalen zu tun haben könnten, also nicht. Es wundert mich, dass Kägi noch nicht darauf gestossen ist.»
     

    Aemisegger musste sich stark zusammenreissen, um nicht auch, wie Köppel heute Mittag, den Boden vollzukotzen. Um von sich von seinem Magen abzulenken, fragte er die Detektivin: «Sie denken wirklich, wir haben es mit einem Kannibalen zu tun?»
    «Überlegen Sie, Aemisegger, das würde einiges erklären.»
    «Für mich erklärt es gar nichts. Mit dem Begriff «Kannibale» hat sich das Thema bei mir auch schon erschöpft. Ich kenne niemanden, der jemals einen Menschen gegessen hat. Sie etwa schon?»
     

    Taute Kommissar Aemisegger nun endlich auf oder stellte er ihr die Frage aus reiner Höflichkeit heraus?
    «Nein, natürlich kenne ich auch niemanden. Ich habe mich früher mal aus reiner Neugier mit dem Thema beschäftigt. Man kennt den einen oder anderen Fall spärlich aus der Zeitung. Kannibalismus gibt es auch in unserer Zeit. Sicherlich besteht die Gefahr, dass sich die Fälle in Zukunft häufen werden. Das Internet bringt ein gewisses Risiko mit sich. Die Täter können sich online treffen, sie können ihre Opfer finden und bauen unter sich eine vermeintliche Normalität auf, in dem sie sich austauschen über ihre Vorliebe.»
     

    Aemisegger nickte nur. Es lag ihm fern, sich die Machenschaften eines Kannibalen im Detail vorzustellen. Viel zu sehr ekelte ihn der Gedanke.
    «Das ist doch abartig!»
    «Sicherlich, Aemisegger, für uns ist es abartig. Die Welt ist gross. Es leben Milliarden von Menschen auf unserem Planeten. Sie haben sicherlich auch schon von der Existenz der Kannibalen gehört. Oder, dass sich in Einzelfällen, wenn es in der Geschichte der Menschheit ums Überleben ging, Menschen am Fleisch ihrer Leidensgenossen vergriffen haben. Dass Kannibalismus existiert, ist unumstritten. Ich selbst habe schon von Vietnamesen gehört, die heute im Aargau leben, und die Flucht in die Schweiz nur überlebten, weil sie das Fleisch der Schwächeren assen. Nachforschungen ergaben übrigens, dass das Verspeisen von Artgenossen im Viktorianischen Zeitalter weit üblicher war als bislang angenommen.»
     

    Kommissar Aemisegger hüstelte in seine Faust. «Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse – ich habe mich wirklich noch nie mit diesem Thema auseinander gesetzt.»
    «Nun, ich erzähle Ihnen gerne mehr darüber. Zum Beispiel habe ich gelesen, als im 16. und im 17. Jahrhundert, während in Europa Kriegszeiten herrschten und die Menschen an Hunger litten, man das Fleisch der Toten verzehrte, um zu überleben. Man musste dafür nicht einmal jemanden umbringen. Die Menschen gingen auf Friedhöfe und gruben Leichen aus, um sie zu essen, oder sie schnitten Gehenkte vom Galgen. Es gibt zeitgenössische Kupferstiche, die dies illustrieren und veranschaulichen. Und ich denke nicht, dass es sich dabei nur um Fantasien handelte.»
     

    «Ich kann mir das nur schlecht vorstellen und in keiner Weise nachvollziehen. Ich will das auch nicht. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür.»
    «Natürlich, es geht mir dabei nicht anders. Doch wenn wir es mit einem Kannibalen zu tun haben, sollten wir ihn mindestens versuchen zu verstehen. Im Endeffekt ist er auch nur ein Mensch.»
    «Ein Mensch? Sind sie noch ganz bei Sinnen! Ein Monster ist er – ein Mensch tut so was nicht!»
    «Im erzogenen Sinne tut das ein Mensch vielleicht nicht, ja, sicherlich. Die Ethik, die Moral verbietet dem Menschen das Verspeisen von Artgenossen, was sicherlich auch gut ist so. Doch im biologischen Sinne scheint die Realität anders zu sein.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Bis zum 18. Jahrhundert war Menschenfleisch ein fester Bestandteil der menschlichen Ernährung, es gab auch den medizinischen Kannibalismus. Sei es in der Kulturgeschichte, in den Mythen oder Märchen – Kannibalismus ist überall gegenwärtig. Nicht nur im Dschungel bei den Urvölkern. Auch in den Religionen ist ein Überbleibsel davon festzustellen: wenn Sie mich fragen, mischt auch das christliche Ritual der Verwandlung von Leib und Blut in Brot und

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