Fleisch und Blut - Der Kannibale
zu durchsuchen?»
«Was? Was meinst du denn, wie oft ich schon am Arbeitsplatz von Jürg war und dort gesucht habe, nach irgendeinem Hinweis, irgendeinem Fetzen. Ich habe diesen verdammten Arbeitsplatz schon stundenlang durchsucht und absolut nichts gefunden!»
«Wenn es dir lieber wäre, komme ich zu dir auf die Redaktion und schaue mich selbst mal um.»
«Nein, nein, Carla. Entschuldige, war nicht so gemeint. Du kannst mich natürlich immer besuchen kommen, konsequenterweise werde ich seinen Platz aber selber noch einmal checken.»
«Danke, Felix. Offen gestanden, es ist unsere einzige Spur. Vielleicht schaust du nochmal in den Computer, in seine Agenda, stellst einfach die ganze Redaktion auf den Kopf! Ich bin überzeugt, dass du etwas finden wirst.»
Carla Fuchs legte auf und wandte sich wieder ihrem Laptop zu. Sie hoffte, im Internet weitere Informationen über Rituale zu finden. Sie war bestrebt, sich in das Denkmuster des Täters hineinzuversetzen, um seine nächsten Schritte erahnen zu können. Ihre Handlungsunfähigkeit quälte; suchte sie zu weit und lag die Wahrheit viel näher, als sie dachte? Schliesslich hatte jedes komplexe Konstrukt einen simplen Kern. Und genau den galt es für sie zu ergründen.
Auch wenn sie über die Existenz des Kannibalismus Bescheid wusste, die Hintergründe, also weshalb jemand Vorliebe für das Fleisch von Artgenossen hatte, blieben ihr verborgen. Sie war überzeugt, dass der Mensch nicht einfach so ohne weiteres einen Homo sapiens töten und verspeisen konnte. Sie selbst hatte eine unüberwindbare Barriere in sich. Nicht nur der Sitte wegen. Es mussten bestimmte Grundzüge vorhanden sein, die solche Schandtaten zuliessen. Nachvollziehbar war es für Fuchs nicht und den Täter einzuschätzen, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Sie fragte sich, nach welchem Massstab ein solcher Mensch urteilte und wie seine Weltanschauung sein könnte. Was war für ihn normal oder nicht normal, was richtig oder falsch?
Es bestürzte sie zunehmend, je länger sie darüber nach dachte. Vielleicht war es ein spezieller Kick für den Täter, einen Menschen zu töten, um ihn zu essen. Auch nicht das Wissen über die Verbote und Gesetze schien ihn abzuschrecken. Dieser Mensch setzte sich über alles hinweg: über Sitte, Ethik, Moral und über die Gesetzgebung.
Offenbar existierten unterschiedliche Wahrheiten. Die Strukturen verwässerten und es blieb im Auge des Betrachters, ob Schwarz schwarz war und Weiss weiss.
Die Detektivin gab online einige Begriffe in die Suchmaschine ein, die zum Zusammenhang passten. Der eine Artikel im Internet zog sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich:
Ärzte und Apotheker in Europa schworen auf die magische Energie von frisch Getöteten. Im frisch Getöteten wohne magische Magie inne.
Danach hatte sie gesucht. Carla Fuchs stellte fest, dass sie selber sich in einem inneren Zwist befand. Bestürzung wechselte sich mit Neugier und der Ablehnung des Widerwärtigen. Die Neugier trieb sie an, alles Mögliche über Kannibalen zu erfahren. Dem gegenüber standen wiederum die Ethik, die Moral sowie die Frage, was denn Normalität für einen Kannibalen bedeutete.
Noch viel erschreckender war die Erkenntnis, dass der Handel mit Mumien und Leichenteilen ein umsatzstarker Wirtschaftszweig in Europa gewesen war, der vielen ein Einkommen beschert hatte. Davon hatte sie bislang nichts gewusst. Sie las, dass das Fleisch von jüngeren Menschen, vorzugsweise Männern, auf dem Markt besonders gefragt und teilweise hoch bezahlt gewesen war.
Sie war ja schon eine taffe Frau, so schnell konnte ihr keiner etwas vormachen. Doch in diesem Moment brauchte selbst die Detektivin Abstand zum Thema. Schliesslich war sie auch nur ein Mensch. Sie war der Meinung, dass es für die Menschheit eine Riesenkatastrophe wäre, wenn der Kannibalismus sich wieder verbreiten würde. Damit wollte sie sich grundsätzlich nicht weiter auseinandersetzen.
Loslassen und an etwas anderes denken, ging dann aber auch nicht und so setzte sich Carla Fuchs wieder zurück an ihren Computer. Nach kurzer Zeit des Recherchierens stiess sie auf den Begriff Mana. Die Detektivin las alles darüber, was sie im Internet finden konnte. Nach den Vorstellungen einiger Völkerstämme existierte in jedem Lebewesen, selbst in jedem Stein, in jeder Pflanze, jedem Tier und in jedem Menschen das Mana. Es wurde als Lebenskraft beschrieben, als Kraft der Seele, die in allem und
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