Fleisch und Blut
Haare nach hinten. Ihre Zungenspitze fuhr über die Unterlippe. »Kann sein.« Achselzucken. Gähnen. »Also ... Zeit, auf meine Kopfprobleme zu sprechen zu kommen, nicht?«
Jane und Lyle Teague hatten die Frage nach einer früheren Therapie verneint, aber Laurens glatte, oberflächliche Art gab mir zu denken. Ich fragte sie danach.
»Nee, nie. Die Schulpsychologin hat ein paarmal versucht, mit mir zu reden.«
»Worüber?«
»Über meine Noten.«
»Hat es was gebracht?«
Sie lachte. »Yeah, klar. Okay, sind Sie bereit für meine Neurose?«
»Neurose«, sagte ich.
»Wir haben dieses Jahr Psychologie. Blöder Kurs. Bereit?«
»Wenn Sie es sind?«
»Sicher. Ich meine - darum geht's doch, richtig? Ich soll meine ganzen tiefen, dunklen Geheimnisse ausspucken.«
»Es ist keine Frage dessen, was Sie tun sollen -«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte sie. »Das sagen Psychofritzen doch immer - niemand zwingt Sie dazu, irgendwas zu tun.«
»Sie wissen über Psychofritzen Bescheid.«
»Ich weiß genug. Ein paar von meinen Freundinnen gehen zu denen. Einer von ihnen hat ein Psychofritze diese Schei dieses Zeug erzählt von wegen, dass er sie niemals zu was zwingen wird, und eine Woche später hat er sie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.«
»Warum?«
»Sie hat versucht, sich umzubringen.«
»Klingt nach einem guten Grund«, sagte ich.
Achselzucken.
»Wie geht's Ihrer Freundin?«
»Prima - als ob Sie das wirklich interessiert.« Sie verdrehte die Augen.
Ich sagte nichts.
»Das ebenfalls«, erklärte sie. »Das ist die andere Nummer von euch Typen - einfach dasitzen und glotzen. ›Aha‹ sagen und ›Hm-hmm‹. Fragen mit Fragen beantworten. Richtig?«
»Hm-hmm.«
»Sehr witzig«, sagte sie. »Bei Ihrem Honorar werde ich hier nicht ewig herkommen. Und er wird wahrscheinlich anrufen, um sich zu vergewissern, dass ich erschienen bin und gute Arbeit geleistet habe, also machen wir weiter.«
»Hat Dad es eilig?«
»Yeah. Geben Sie mir also eine gute Note, okay? Sagen Sie ihm, dass ich gut war - ich brauche nicht noch mehr Auseinandersetzungen.«
»Ich werde ihm sagen, dass Sie kooperationsbereit -«
»Sagen Sie ihm, was Sie wollen.«
»Aber ich werde nicht in die Details gehen, weil -«
»Vertraulichkeit, ja, ja. Spielt keine Rolle. Erzählen Sie ihnen ruhig alles.«
»Keine Geheimnisse vor Mom und Dad?«
»Zu welchem Zweck?« Sie spielte mit ihrem Haar, schenkte mir ein müdes Lächeln. »Ich habe sowieso keine tollen Geheimnisse. Total langweiliges Leben. Zu dumm für Sie - versuchen Sie wach zu bleiben.«
»Also«, sagte ich, »will Ihr Vater, dass Sie das hier schnell hinter sich bringen.«
»Und wenn schon.« Sie zupfte an ihren Haaren.
»Was genau hat er Ihnen gesagt, was Sie hier erreichen wollen, Lauren?«
»Mich zusammenreißen, offen und ehrlich sein - ein gutes Mädchen sein.« Sie lachte, bog ein Bein über das andere, legte eine Hand auf eine Wade und kratzte sich.
»Ein gutes Mädchen«, sagte ich. »Das keine Drogen nimmt?«
»Was das angeht, sind sie paranoid, wie bei allem anderen auch. Obwohl sie selbst rauchen.«
»Sie rauchen Pot?«
»Pot, Tabak. Ein bisschen zum Nachtisch. Manchmal ist es Schnaps - Cocktails. ›Wir sind alt genug und haben es im Griff, Lauren.‹« Sie lachte. »Jane war früher Stewardess, hat bei all diesen schicken privaten Chartergesellschaften gearbeitet. Sie haben immer noch diese Kollektion von winzigen Fläschchen. Ich mag das Zeug mit den grünen Melonen - Midori. Aber Pot ist tabu für mich, bis ich achtzehn bin.« Sie lachte. »Als ob ich darauf heiß wäre.«
»Pot ist nichts für Sie?«, fragte ich.
»Pot ist ätzend - dauert zu lange. So wie, hey, Mann, tun wir mal so, als wären wir in den Sechzigern, alle sind völlig geschafft und sitzen rum, starren in den Himmel und reden über Gott.« Noch ein forciertes, schmerzlich freudloses Lachen. »Ganz bestimmt macht Pot die beiden langweilig. Das ist die einzige Gelegenheit, wo sie ein bisschen runterkommt. Und er sitzt nur vor der Glotze und mampft Nachos und was er in die Finger kriegt. Ich soll nicht über ihre schlechten Angewohnheiten reden, ich bin diejenige, die sich ändern muss.«
»Inwiefern ändern?«
»Mein Zimmer aufräumen.« Sie verfiel in einen Singsang. »Meine Hausarbeiten machen, am Morgen fertig werden, ohne meine Mom eine Ziege zu nennen, nicht mehr ›Arsch‹ und ›Scheiße‹ und ›Fotze‹ sagen. In die Schule gehen und aufpassen, bessere Noten kriegen,
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