Flesh Gothic (German Edition)
Aufgaben. Der Barkeeper unterhielt sich am anderen Ende des Raums mit dem Austernkoch. Westmore fühlte sich abgekapselt, als gehörten die wenigen Menschen rings um ihn einer anderen Existenzebene an. Sein Blick fiel auf das volle Scotch-Glas – seine Kristallkugel –, und in dem goldstichigen Eis erblickte er etwas Chaotisches, etwas Undefinierbares.
Westmore erschauerte, als Karens Hand seinen Oberschenkel berührte. Ihre Finger drückten ihn, dann wanderten sie zielstrebig auf seinen Schritt zu.
»Was ...«
Ihr betrunkener Blick wirkte zugleich abwesend und hoch konzentriert. Etwas schien darin zu lodern. Natürlich ist sie betrunken, suchte er nach einer vernünftigen Erklärung. Außerdem ein bisschen neben der Spur. Immerhin hat sie die Leichen entdeckt ...
»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
Westmore wollte ihre Hand nehmen und wegschieben. Er fühlte sich verlegen, stand unter Strom ...
»Keine Bange, niemand kann es sehen.« Ihre Finger arbeiteten sich weiter an der Innenseite seines Oberschenkels hinauf. »Schauen Sie mal.«
Westmore sah nach unten. Sie hatte den schwarzen Rock hochgezogen und die Schenkel gespreizt. Kein Höschen.
Fantastisch. Eine betrunkene Nymphomanin.
»Lassen Sie sich von mir nach Hause fahren. Wir treiben es bei Ihnen.«
Schließlich sprudelten die Worte aus Westmores Mund. »Das ist doch verrückt. Was machen Sie da?«
»Ich baggere Sie an. Wir sind in Florida, schon vergessen? Alle Männer sind schwanzgesteuert, alle Frauen sind Schlampen.«
»Ich kann mich nicht erinnern, diesen Slogan je in einem Tourismusprospekt gelesen zu haben.« Wieder riet ihm eine Stimme in seinem Inneren, die Hand wegzuschieben, doch er blieb bewegungslos sitzen. Mittlerweile streichelte sie unverhohlen seine Beule. Westmores Magen krampfte sich in wilder Erregung zusammen.
»Was ist? Widerspricht das Ihrem Moralempfinden?«, scherzte sie. Ihre Stimme glich dabei einem einlullenden Flüstern. »Haben Sie noch nie eine Frau in einer Bar aufgerissen und sie dann gefickt?«
»Schon oft und es war immer ein Fehler.« Nach wie vor schielte er verlegen zum anderen Ende der Theke und sah, dass der Barkeeper und der Austernschäler zu weit weg standen, um etwas mitzubekommen.
»Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen im Auto einen blase ...«
Dann setzte sein gesunder Menschenverstand so schnell ein wie eben noch seine Erregung. Er packte ihre Hand, schob sie auf ihren eigenen Schenkel und zog ihren Rocksaum wieder nach unten.
»Wir arbeiten beide für dieselbe Frau ...«
»Moralische Verworfenheit?« Sie lachte etwas lallend.
»Ja.« Er legte Geld auf die Theke, stand auf und griff nach der kleinen Aktentasche, die sie mitgebracht hatte. »Ich muss heute Nacht noch Nachforschungen anstellen.«
»Natürlich. Ganz der pflichtbewusste Reporter.«
»Und ich nehme den Bus nach Hause. Sie sind zu betrunken, um mich oder sich selbst irgendwohin zu chauffieren.« Er holte sein Handy aus der Tasche. »Ich rufe Ihnen ein Taxi.«
»Nicht nötig.« Träge starrte sie auf ihren fast leeren Drink. »Ich übernachte in Vivicas Gästezimmer. Morgen früh hole ich Sie ab und bringe Sie zur Villa.«
»Prima.« Durch die Nachwehen der peinlichen Situation klang seine Stimme gekünstelt. Westmore wollte nur noch raus hier. »Dann sehen wir uns morgen«, sagte er, schüttelte ihr rasch die Hand und ging.
Unglaublich , dachte er. Ich bin ein Magnet für Durchgeknallte.
Ein Anflug von Erleichterung, als er auf die Uhr blickte: Der Bus zurück fuhr um diese Zeit nur noch stündlich, aber er musste nur fünf Minuten auf den nächsten warten. Die Stadt kühlte im Licht der untergehenden Sonne herunter. Nur noch wenige Autos waren unterwegs. Man konnte eine Stecknadel fallen hören, so ruhig war es auf den Straßen.
Die Szene mit Karen gab ihm zu denken; in seinen Tagen als Trinker wäre er sofort dafür zu haben gewesen. Nun jedoch blieben nur die abklingende Erregung und ein tief sitzendes Bedauern zurück. Kneipenaufrisse entsprachen nicht mehr seinem Stil; so etwas erschien ihm oberflächlich und unreif.
»Jemand anders wird sie ficken«, schnarrte eine Stimme.
Es war der Obdachlose, der immer noch zusammengesunken an derselben Stelle neben der Mülltonne vor der Bushaltestelle kauerte.
»Bist du ’ne Schwuchtel oder so? Die Schlampe ist ein heißes Gerät. Hättest sie mal in ihren Filmen sehen sollen.«
»Woher weißt du, dass sie in Filmen mitgespielt hat?«, stieß Westmore gereizt hervor. Von hier
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