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Flesh Gothic (German Edition)

Flesh Gothic (German Edition)

Titel: Flesh Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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draußen konnte der Mann ihre Unterhaltung an der Theke unmöglich mitgehört haben.
    »Ich weiß ’ne Menge Scheiß, Mann.« Sein Gesicht versank unterhalb von Westmores Gürtellinie im Schatten. »Man erzählt mir ja so einiges.«
    »Ach ja? Wer?«
    »Dein Vater.«
    Kurz kniff Westmore die Augen zusammen. »Mein Vater ist tot.«
    »Ich weiß.«
    Klar doch. »Überrascht mich, dass es dir nicht meine Mutter gesagt hat – sie ist auch tot.«
    Der Obdachlose zögerte. »Das wusst ich nich’.«
    Westmore ließ es dabei bewenden. Seine Mutter erfreute sich bester Gesundheit und lebte in San Angelo, Texas. »Hör mal, Mann, ich weiß, dass du Hilfe brauchst. Ich ruf gern für dich bei der Kreisverwaltung an und erkundige mich, wo das nächste Asyl ist.«
    »Drauf geschissen. Gib mir mehr Kohle. Du hast einen Arsch voll bei dir.«
    Obdachlose Irre schienen sich stets Westmore auszusuchen – so war es schon immer gewesen. Für diesen Mann allerdings konnte er nichts tun. Der Bus fuhr zischend vor und die Türen klappten auf. Als Westmore einstieg, krächzte der Penner weiter: »He! He!« Es hörte sich eher wie ein kläffender Hund an.
    Westmore löste ein Ticket. Der Obdachlose hörte nicht auf zu jammern.
    »Von diesen Verrückten stranden hier immer mehr«, meinte der Fahrer. »Vermehren sich wie die Schmeißfliegen.«
    »M-hm«, murmelte Westmore. Mittlerweile wirkte der Penner geradezu hysterisch. »Ich verstehe den armen Teufel nicht mal.«
    »Fahren Sie zu einem Haus?«
    Westmore verharrte im Gang und drehte sich um. »Was?«
    Der Chauffeur fuhr los. »Der Verrückte. Er hat gebrüllt: ›Viel Spaß in dem Haus!‹«
    Westmore setzte sich. Er fühlte sich überwältigt von den Erlebnissen des Tages und ihm war übel. Er starrte aus dem Fenster des Busses und blinzelte unkontrolliert.
    Der Obdachlose wirkte im Schatten völlig verändert. Das Gesicht in der Kapuze schien kantig wie ein Keil zu sein. Anstelle der Nase klaffte ein Loch darin und Zähne bleckten aus einem lippenlosen Mund hervor. Augen wie Messerschlitze in Fleisch blitzten ihn aus der Schwärze an. Die Arme hoben sich und ein klauenbewehrter Finger deutete auf Westmore, als der Bus langsam davonrollte.

Kapitel 4
    I
    »Pater Nyvysk?«
    »Nur ... Nyvysk«, korrigierte er geduldig.
    »Ach ja, richtig. Danke fürs Kommen. Die meisten anderen sind schon hier.«
    Nyvysk kannte einen Großteil der Anwesenden. Den deutlich jüngeren Mann, der ihn ins Haus führte, sah er hingegen zum ersten Mal.
    »Ich bin Mack Colmes«, stellte der sich gerade begeistert vor. »Ich bringe Sie jetzt zum Südatrium. Die Villa ist riesig und anfangs ein bisschen verwirrend. Aber nach einer Weile kommt man schon klar. Ich wette, die ganze Sache stellt sich am Ende als Scherz raus.«
    Ein Jungspund, dachte Nyvysk auf Anhieb. Feuer in den Augen. Er hält das hier für ein großes Abenteuer . »Sind Sie ein Medium?«, fragte er, obwohl er ernsthaft daran zweifelte.
    »Nein, Sir. Ich bin nur der Sicherheitschef. Ich bleibe bei Ihnen und den anderen, um das Gelände zu kontrollieren, den Alarm zu überwachen und mich um ähnlichen Kram zu kümmern. Ich arbeite für Vivica. Das übernatürliche Zeug – das ist Ihr Fachgebiet.« Kurze Haare, muskulös, athletischer Gang. Er trug ein Muskelshirt mit der Aufschrift FLORIDA STATE, knielange Shorts und teure Sportschuhe ohne Socken, wodurch er wie ein Collegestudent in den Semesterferien wirkte. »Sie haben Ihre Ausrüstung draußen, richtig?«
    »Im Van, ja.«
    »Und es kommt noch ein Laster?«
    »Ja, hoffentlich innerhalb der nächsten Stunde. Pritschen, Trennwände, Proviant. Ich habe alles mit Mrs. Hildreths Erlaubnis auf ihre Rechnung bestellt.«
    Mack nickte. »Ja, Vivica hat mir gesagt, dass sie Sie zum Boss des Ganzen ernannt hat.«
    »Nicht zum Boss, zum Koordinator«, korrigierte Nyvysk den jungen Mann. Er hatte schon öfter an solchen Projekten teilgenommen, und ohne jemanden, bei dem die Fäden zusammenliefen, setzte schnell Chaos ein. Vor allem bei dieser Truppe , schoss ihm durch den Kopf. In den Staaten konnte man kaum einen verrückteren Haufen zusammentrommeln .
    Das Innere der Villa verblüffte ihn noch mehr als das maßlos übertriebene Äußere. Das Dekor des rund hundert Quadratmeter großen Foyers aus schwarzem Marmor vermittelte ihm das Gefühl, eine Mischung aus Museum, Kunstgalerie und Antiquitätensammlung betreten zu haben. Handgeknüpfte Teppiche mit byzantinischen Mustern lagen an den Seiten des Raums,

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