Flesh Gothic (German Edition)
sich übergeben. In einem der Salons. Ich habe ihm vorhin geholfen.«
Mittlerweile ließ sie die Beine baumeln wie ein Kleinkind, das auf einer Mauer saß. »Irgendetwas an ihm beunruhigt mich. Ich glaube, das ist kein Faker.«
»Was ist mit den anderen?«
»Weiß ich nicht. Über die versponnene Schnepfe habe ich einen Artikel gelesen. Auch sie hat was an sich, das echt zu sein scheint.«
»Vielleicht ist sie auch nur echt drogensüchtig.«
»Vielleicht. Und Cathleen wurde vergewaltigt.«
Westmore rutschte vor Schreck der Stapel aus den Händen, den er sich gerade vorgenommen hatte. »WAS?«
»Sie behauptet, sie sei von einer ›subkarnaten spirituellen Instanz‹ sexuell berührt worden, womit wohl ein Geist gemeint ist.«
»Um Himmels willen ...« Westmore zündete sich eine Zigarette an und stellte fest, dass er größere Lust auf Karens leeres Scotch-Glas als auf ihre gespreizten Beine hatte. »Und Sie glauben, sie ist ein echtes Medium?«
»Das bezweifle ich. Sie scheint mir eher eine Hochstaplerin zu sein, aber – Mann – was für ein Körper. Macht mich neidisch ... genau wie Vivica. Manches ist einfach nicht fair.« Seufzend legte sie sich flach auf den Schreibtisch. »Und keine Sorge, ich will Sie nicht anbaggern, indem ich mich so hinlege. Ich bin nur ... wirklich müde.«
»Verstehe.«
»Und Sie sind der Einzige in diesem Irrenhaus, in dessen Gegenwart ich mich wohlfühle.«
Ich schätze, das war ein Kompliment . Westmore tat, was er immer tat, wenn er sich unbehaglich fühlte: Er wechselte das Thema. »Und Nyvysk? Echt oder falsch?«
Auf dem Rücken liegend und mit geschlossenen Augen zuckte Karen mit den Schultern. »Nyvysk behauptet nicht, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. Er arbeitet bloß mit technischem Kram. Und er führt Exorzismen durch.«
»Sie nehmen mich auf den Arm.«
»Ich wünschte, es wäre so. Wir haben jemanden damit beauftragt, Hintergrundinformationen über diese Leute zu beschaffen, bevor Vivica sie engagiert hat. Ich konnte einen kurzen Blick in die Lebensläufe werfen. Nyvysk ist ein ehemaliger Priester, der über 20 Jahre lang Exorzismen vorgenommen hat. Er war überall auf der Welt im Einsatz.«
»Ein ehemaliger Priester? Wieso ehemalig?«
»Irgendwas mit Sex. Wie bei den Meisten aus der Truppe. Ich bin sicher, Sie werden die schmutzigen Details bald erfahren.«
Westmore war sprachlos. Irgendwas mit Sex ... Er wollte es gar nicht genauer wissen. Dann starrte er missmutig auf die DVDs, die er sich vornehmen wollte. Sex-DVDs. Unzählige Stunden.
»Es wird langsam Zeit fürs Abendessen«, sagte Karen und rappelte sich vom Schreibtisch auf. »Gehen wir runter und sehen nach, ob sich die Freakshow beruhigt hat.«
Westmore folgte ihr verwirrt und aufgewühlt nach draußen. Als sie durch den dunklen Flur gingen, wurde er das Gefühl nicht los, dass sich die Gesichter auf den Ölgemälden und sämtliche Statuen verändert hatten, doch er wusste, dass es Einbildung sein musste.
»Ich vermute, Nyvysk ist schon runtergegangen«, sagte Karen und deutete auf die Tür der Kommunikationszentrale. Sie war geschlossen.
»Nein«, widersprach Westmore und verharrte mitten im Schritt. »Ich höre ihn da drinnen reden.« Er stellte sich an die Tür und vernahm leise Stimmen.
»Hören Sie auf zu lauschen und kommen Sie«, drängte ihn Karen. Sie ergriff seinen Arm und zog ihn hinter sich her. »Ich bin fast am Verhungern!«
Während Westmore regelrecht zur Treppe geschleift wurde, dachte er: Ich wüsste zu gerne, mit wem er sich da unterhält . Denn er war sicher, mehr als nur eine Stimme in dem Raum gehört zu haben.
Kapitel 7
I
Nyvysk verspürte weder Entsetzen noch einen direkten Einfluss, sondern etwas auf subtile Weise Schreckliches tief in seinem Herzen. Er zeichnete über die Mikrofone der Gegensprechanlage die Audiosignale in acht verschiedenen Räumen auf, die er ausgewählt hatte, weil sie von den anderen Mitgliedern der Gruppe vermutlich nicht betreten wurden; vorwiegend Zimmer im fünften Stock. Stimmphänomene stellten immer eine zuverlässige Detektionsmethode dar und waren einfach zu erfassen, wenngleich die exakte Wissenschaft verwirrend viele verschiedene Aspekte umfasste. Schon etliche Male hatte er selbst in Räumen mit laufenden Rekordern gesessen, oft stundenlang, ohne das Geringste zu hören. Später spielte er die Bänder über sequenzielle Equalizer ab und nahm nicht selten ein Gewirr von Stimmen wahr. Das ließ sich nicht rational erklären.
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