Fliedernächte: Roman (German Edition)
machen. Hol dir was zu trinken, Hope.«
Justine stapfte aus dem Haus, schnappte sich den Gartenschlauch und zielte ohne Vorwarnung und Gnade auf die Kämpfer, die empört aufschrien.
»Zeit für einen Waffenstillstand«, meinte sie. »Spätestens in einer halben Stunde wird gegessen. Also sucht euch trockene Kleidung und säubert euch ein bisschen, ja?«
Alle waren entsprechend merkwürdig kostümiert, als sie sich zum Essen setzten. Sie sprachen über das MacT’s und das künftige Fitnessstudio, über Babys und Hochzeiten sowie über diverse Klatschgeschichten.
Schließlich trugen sie die leeren Teller in die Küche, und während die Kinder mit den Hunden erneut im Garten spielten, widmeten sich die Erwachsenen dem eigentlichen Anlass des Treffens.
»Also.« Justine lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Ich werde euch erzählen, wie weit ich mit meinen Recherchen gekommen bin. Es gibt eine alte Familienbibel«, sagte sie und tätschelte die Hand der Schwester. »Carolee hat erfahren, dass sie sich bei unserem Onkel Henry befinden muss. Nach dem Tod unseres Großvaters haben sich er und seine Frau den Großteil seiner Habe unter den Nagel gerissen. Manche Leute sind so, obwohl sie das Zeug überhaupt nicht gebrauchen können. Und die Bibel war Teil ihrer Ausbeute. Sie ist offenbar wirklich sehr alt, und falls Billy einer unserer direkten Vorfahren war, müsste er dort erwähnt werden. Wir brauchen sie uns nur zu holen.«
»Er will sie uns leihen«, warf ihre Schwester ein. »Falls er sie findet, denn er hat den ganzen Besitz unseres Großvaters irgendwo wild gestapelt.«
»Es dürfte ihm kaum eilen, mit der Suche zu beginnen«, ergriff Justine wieder das Wort. »Vorsorglich hab ich mit meiner Cousine, seiner Tochter, telefoniert. Wir haben uns immer gut verstanden, und wenn sie sich darum kümmert, wird vielleicht was draus. Henry selbst und mein Vater kennen keinen Joseph William Ryder, weder persönlich, wofür sie auch zu jung wären, noch vom Namen. Unser Dad, den ich ebenfalls angerufen habe, erinnerte sich immerhin dunkel daran, dass sein Vater gelegentlich über zwei Onkel geredet hat, die im Bürgerkrieg kämpften. Einer, meint er, sei in der Schlacht am Antietam gefallen. Hundertprozentig sicher ist er sich allerdings nicht. Vielleicht hat er da auch was durcheinandergebracht.«
»Es ist auf jeden Fall ein Anfang«, meinte Hope. »Alles fängt mal klein an. Auf der Liste der Soldaten, die in Sharpburg begraben liegen, konnte ich keinen Joseph William Ryder entdecken.«
»Ich muss ebenfalls passen«, sagte Owen. »Bislang. Mal sehen, was die Dokumente bringen, die ich noch nicht gesichtet habe.«
»Unser Vater meinte, sie hätten irgendwo mal ein altes Bajonett aus der Zeit des Bürgerkriegs und ein paar andere Sachen, Granaten, eine Uniformmütze und sogar Kanonenkugeln, gehabt«, fügte Carolee hinzu. »Was er mir nicht sagen konnte, war, ob es sich um Erbstücke handelte oder ob die Sachen beim Umpflügen der Felder gefunden wurden. Schließlich tauchen bis auf den heutigen Tag solche Bürgerkriegsrelikte im Umkreis des ehemaligen Schlachtfelds auf.«
»Ich kann mich kaum noch an die Farm erinnern, und ihr kennt sie gar nicht mehr, denn sie wurde bereits in unserer Kindheit verkauft«, erklärte Justine ihren Söhnen. »Später wurden dort einige Häuser gebaut, und einen Teil des Landes hat die Verwaltung der Gedächtnisstätte aufgekauft. Was ist eigentlich aus dem kleinen Friedhof geworden, der zum Farmgelände gehörte?«
Hope richtete sich kerzengerade auf. »Ein Friedhof auf einer Farm?«
»Das war früher üblich – auf dem Land wurden die Menschen zumeist auf dem eigenen Grund und Boden begraben. Dad hat mich neulich, als ich ihn nach Billy fragte, daran erinnert. Er sagte, dass er damals zwischen ein paar Bäumen am Ende eines alten, unbefestigten Weges lag. Vielleicht gibt es ihn ja noch.«
»Das kann ich herausfinden«, bot Owen sich an. »Denn bei jeder Exhumierung oder Umbettung fällt auf jeden Fall irgendwelcher Papierkram an.«
»Auf der alten Farm.« Mit nachdenklicher Miene trank Ryder einen Schluck von seinem Bier. »Dort gibt’s einen kleinen Teich.«
»Unser Vater hat früher von einem Wasserloch erzählt, wo sie geschwommen sind. Aber woher weißt du davon?«
»Ich kannte mal ein Mädchen, das in einem der Häuser wohnte, die sie dort gebaut haben. Und in der Nähe war so ein kleiner Friedhof. Ich erinnere mich an die niedrige Umfassungsmauer und an eine Tafel.
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