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Fliedernächte: Roman (German Edition)

Fliedernächte: Roman (German Edition)

Titel: Fliedernächte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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tätschelte.
    Die abendliche Dämmerung brach herein, und der süße Duft von Geißblatt umhüllte die Familie.
    Hope legte die Finger erst auf Billys Grabstein, dann auf ihr eigenes Herz.
    »Nächstes Mal bringen wir Blumen mit.« Justine lehnte ihren Kopf an Owens Schulter und drückte die Hände ihrer beiden anderen Söhne. »Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns an sie erinnern. Ohne diese Menschen gäbe es uns schließlich nicht.«
    Ryder zog sein Messer aus der Tasche, schnitt mehrere Geißblattranken von der Mauer und legte sie auf den Gräbern ab.
    »Das ist schon mal ein kleiner Gruß.«
    Hope war von dieser schlichten Geste so gerührt, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellte, sein Gesicht umfasste und ihn küsste.
    »Nein, ein großer, denn es passt zu Lizzy.«
    »Langsam wird’s kälter, und ich will Clare nach Hause bringen«, sagte Beckett, wandte sich dann seiner Mutter zu. »Ich fahr noch schnell bei dir vorbei, hol unsere Hunde ab und bring alle heim.«
    »Nein«, protestierte Clare. »Wir müssen es ihr sagen, dass wir ihn gefunden haben. Alle zusammen, und ich will dabei sein.«
    »Das hat bis morgen Zeit. Du siehst jetzt schon schrecklich müde aus«, warf Hope ein.
    Beckett strich mit einem Finger über ihre Wange. »Ja, du bist wirklich sehr blass. Hope hat recht, dass wir bis morgen damit warten.«
    »Vielleicht ist es sogar besser.« Avery hob ihre Hände. »Dann können wir uns überlegen, wie wir es ihr sagen. Okay, er ist hier. Nur was bedeutet das? Es kommt mir fast ein bisschen grausam vor, ihr mitzuteilen, dass er meilenweit von ihr entfernt begraben liegt.«
    »Morgen«, entschied Justine. »Sagen wir um neun. Ja, dafür musst du deine Arbeit unterbrechen«, kam sie Ryders Widerspruch zuvor. »Aber für Avery und Clare ist es eine gute Zeit, weil ihre Läden noch zu sind.«
    »Neun Uhr wäre super.«
    »Wie sieht’s mit dir aus, Willy?«, wandte sich Justine an den großen Mann mit dem kleinen Hündchen auf dem Arm. »Hast du Zeit?«
    »Wenn ich darf, bin ich dabei.«
    »Das wäre schön. Ich wüsste gerne, welche von den Frauen ihre Mutter war. Sie hat zwei von ihren Söhnen, vielleicht sogar alle drei verloren, bevor sie selbst starb. Ein Albtraum.« Justines Stimme wurde rau, und sie atmete tief durch. »Wenn ich ihren Namen in Erfahrung bringe, werde ich an sie denken.«
    »Es wird allmählich dunkel.« Willy B. streichelte tröstend ihren Arm. »Lass uns aufbrechen.«
    »Also gut. Dann fahren wir jetzt alle wieder heim.«
    Ryder blieb noch kurz zurück, als die anderen zu ihren Wagen gingen. Erst als Hope ihn sanft am Arm berührte, wandte er sich ebenfalls zum Gehen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Das heißt, ich weiß nicht. Es ist einfach seltsam.«
    »Dass Billy zwei Brüder hatte so wie du?«
    »Keine Ahnung«, wiederholte er. »Das wahrscheinlich auch. Aber irgendwie seltsamer finde ich, dass er mein Vorfahr war und Lizzy zu deiner Familie gehörte. Und dass ich seinen Namen trage …« Er schüttelte den Kopf, als würde er das seltsame Gefühl auf diese Weise los. »Lass uns gehen.«
    »Was? Du wolltest noch irgendwas hinzufügen«, hakte sie nach.
    »Nichts. Es ist einfach seltsam, weiter nichts.«
    Was er für sich behielt, war die Tatsache, dass er sofort gewusst hatte, wo Billy lag. Wohin er gehen musste und was er dort finden würde.
    Doch vielleicht bildete er sich das ja bloß ein, sagte er sich, als er wieder in seinem Wagen saß. So etwas passierte anderen Leuten vielleicht genauso, die in der Abenddämmerung auf einem Friedhof herumspazierten.
    Nein, wenn er ehrlich mit sich war, glaubte er das ganz und gar nicht. Weil er nach wie vor diesen leichten Schauder dicht unter der Haut spürte, der ihn beim Betreten des Friedhofs befallen hatte. Und diese absolute Gewissheit, dass er wirklich um Billys Grab wusste.
    Als er losfuhr, blickte er im Rückspiegel noch einmal auf die Steinmauer, die Grabsteine, das wild wuchernde Geißblatt, bevor er wieder nach vorne schaute. Auf den Weg, der vor ihm lag.

19
    Er kannte dieses Land, jeden Berg und jedes Tal, die ausgedehnten Felder und die rauen Felsenvorsprünge, die daraus hervorragten. Kannte die steinernen Mauern, die die fetten Kühe auf den saftigen Weiden daran hinderten, auf die Nachbarwiesen umzuziehen. Unter der geduldigen Anleitung seines Onkels hatten seine eigenen Hände einige der Mauern mit gebaut.
    Er hatte diesem Land, den Bergen und den Tälern, irgendwann den Rücken gekehrt, aber immer vorgehabt,

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