Fliedernächte: Roman (German Edition)
fest, dass sie offenbar tatsächlich Eliza hieß. Alles merkwürdige Zufälle oder eben keine. Meines Erachtens weist das alles auf eine tiefere Bedeutung.«
»Und welche?«, erkundigte sich Hope.
»Dass es eine spirituelle Verbindung gibt.« Avery rieb sich nachdenklich die Nase. »Auch die Tatsache, dass die Erscheinungen mit dem Fortgang der Umbauten zunehmend deutlicher wurden, spricht dafür.«
»Du meinst, die Renovierung des Hotels könnte ihr neue Kraft verliehen haben?«
»Wenn du so willst. Sie ist in diesem Haus seit dem Bürgerkrieg gefangen, und doch ist es in gewisser Weise ihr Zuhause – die letzten Jahrzehnte allerdings kein Ort zum Wohlfühlen, so schmutzig und verfallen, wie alles war. In einer solchen Umgebung kann keine positive Energie entstehen. Erst mit dem Beginn der Bauarbeiten kam wieder eine Wendung zum Besseren.«
»Du meinst, das hat sie verändert?«
»Owen denkt, dass Lizzy die Liebe spürt, die in dieses Haus gesteckt wurde, und dass sie sich darüber freut. Vielleicht setzt sich das ja ebenfalls in Energieströme um.«
Hope nickte nachdenklich. »Ja, Ähnliches gibt es genauso bei Lebenden. In manchen Häusern fühlt man sich wohl und in anderen wird man krank. Und das hat ja wohl ebenfalls mit dem Fluss positiver oder negativer Energien zu tun. Warum sollte das nicht auch für einen unglücklichen Geist gelten?«
»Außerdem glaube ich, dass sie deine Anwesenheit schätzt. Schließlich geht nichts über Familie! Das hat ihr sicher einen zusätzlichen Energieschub verliehen.«
»Möglich. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass sie mich in die Verantwortung nimmt. Sie vertraut mir, Avery, und erwartet von mir Hilfe, was Billy angeht – ich will sie auf keinen Fall enttäuschen.«
»Nein, das wollen wir alle nicht, und deshalb helfen wir dir. Sprich auf jeden Fall mit Owen – und vielleicht desgleichen mit Ryder. Den hat sie schließlich explizit erwähnt. Ihr solltet auf jeden Fall am Dienstag eure Sinne schärfen – auch für Lizzy, meine ich –, denn ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ihr sie noch deutlicher spürt, wenn ihr zusammen seid. Vielleicht verrät sie dann endlich Billys Namen.«
»Okay, schauen wir mal, und du nimmst das vorab für Owen mit«, sagte Hope und drückte Avery die Aufzeichnungen in die Hand. »Ich hab mir eine Kopie gemacht.«
»Sie sind heute alle in der Werkstatt wegen der Einrichtung fürs MacT’s. Ich fahre hernach auf dem Heimweg hin. Morgen werden sie wieder dort sein. Falls du etwas Zeit hast, könntest du vorbeischauen und mit ihnen reden. Scheint ja, als würde sich endlich was tun.«
»Am Nachmittag kann ich bestimmt kurz weg. Die Werkstatt befindet sich in dem zweiten großen Gebäude auf Justines Grundstück, nicht wahr?«
»Genau. Ich arbeite morgen nicht, hätte also Zeit. Wenn Clare dazukommen könnte, wären wir komplett für ein Geistermeeting.«
»Okay, frag sie. Ich werde mit Carolee reden, ob sie mich morgen entlastet. Andere Meinungen und Theorien zu hören, das ist immer gut. Wir sehen uns dann morgen Nachmittag.«
»Falls Lizzy sich bis dahin erneut zeigt, gib mir sofort Bescheid!«
»Versprochen.« Leichtfüßig eilte sie nach draußen.
Sie runzelte die Stirn, als sie zum Himmel hinaufsah. Innerhalb der letzten Stunde hatte sich die Sonne hinter einer dichten Wolkenwand versteckt. Ein Unwetter war im Anzug, daran konnte es keinen Zweifel geben.
Ihre Gäste würden also sicherlich früher als geplant von ihren Ausflügen zurückkehren oder, falls sie noch nicht aufgebrochen waren, gleich im Haus bleiben.
Das bedeutete viel Arbeit und leider den Verzicht auf einen kleinen Mittagsschlaf.
10
Später als geplant fuhr Hope am Sonntagnachmittag den gewundenen Weg zu Justines Haus hinauf. Das Wetter war wieder schön, und sie genoss die Fahrt durch das sommerliche Grün, während der warme Wind durch die offenen Seitenfenster ihres Wagens wehte und ihr durch die Haare fuhr.
An einem solchen Tag wäre ein Cabrio ideal. Sie hatte einmal mit dem Gedanken gespielt, sich eines zuzulegen, ihn aber als wenig sinnvoll wieder verworfen. Es gab nicht so viele Gelegenheiten, offen zu fahren. Für Einkäufe in der Stadt fand sie es nicht zweckmäßig und für die häufig langen, kalten und schneereichen Winter ganz und gar unpraktisch, sofern es der einzige Wagen war.
Manchmal stand man sich selbst im Weg, wenn man alles unter vernünftigen Gesichtspunkten betrachtete.
Justines Haus lag im Wald versteckt auf einer
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