Fliegende Fetzen
ordentliches Schwert, was sollte er damit anstellen, etwa den Leuten
zuwi
n
ken
? Bei den Göttern, es war Monate her, seit er zum letzten Mal durch die Stadt gewandert war… Heute schienen ziemlich viele Leute unterwegs zu sein, vielleicht fand eine Art Parade oder so statt…
»Meine Güte«, sagte Hauptmann Karotte in der Menge. »Was macht er jetzt?«
Neben ihm stand ein Tourist aus dem Achatenen Reich und zog immer wieder den Hebel seines Ikonographen.
Kommandeur Mumm blieb stehen und blickte verträumt in die Ferne, als er sich den Schlagstock unter den Arm klemmte und nach seinem Helm griff.
Der Tourist sah zu Karotte auf und zupfte höflich an seinem Ärmel.
»Bitte, was macht er jetzt?« fragte er.
»Äh… er… holt etwas hervor…«
»O
nein
«, ließ sich Angua vernehmen.
»Ja, er holt sein zeremonielles Zigarrenetui aus dem Helm«, erklärte Karotte. »Oh… und jetzt zündet er eine an…«
Der Hebel des Ikonographen klickte mehrmals unter dem fleißigen Finger des Touristen.
»Eine sehr historische Tradition, nicht wahr?« vergewisserte er sich.
»Ausgesprochen denkwürdig«, kommentierte Angua.
Die Menge schwieg. Niemand wollte Mumms Konzentration stören. Erwartungsvolle Stille herrschte, als tausend und mehr Personen den Atem anhielten.
»Was macht er jetzt?« fragte Karotte.
»Kannst du’s nicht sehen?« erwiderte Angua.
»Ich halte mir die Augen zu. Ach, der arme Mann…«
»Er… er bläst Rauchringe…«
»Typisch für ihn, die erste Zigarre des Tages…«
»Und jetzt geht er weiter. Und jetzt wirft er den Schlagstock hoch und fängt ihn wieder auf. Genau das macht er auch mit seinem Schwert, wenn er nachdenklich ist… Er scheint recht glücklich zu sein…«
»Er sollte den Moment des Glücks genießen, denn ich fürchte, er dauert nicht lange«, sagte Karotte.
Dann erhob sich ein Murmeln. Die Prozession hatte hinter Mumm angehalten. Einige der leichter zu beeindruckenden Leute, die nicht wußten, wie sie sich verhalten sollten – und jene, die den recht guten Sherry der Unsichtbaren Universität zu ausgiebig probiert hatten –, suchten in ihren Taschen nach Gegenständen, die sich in die Höhe werfen und auffangen ließen. Immerhin handelte es sich um eine
traditionelle Zeremonie.
Wenn man auf gewisse Dinge verzichten wollte, nur weil man sie für lächerlich hielt, hätte man ebensogut nach Hause gehen können.
»Er ist müde, daran liegt’s«, sagte Karotte. »Seit Tagen beaufsichtigt er alles. Während der Nacht-
und
der Tagschicht. Du weißt ja, daß er die Zügel gern fest in der Hand hält.«
»Wollen wir hoffen, daß ihm der Patrizier weiterhin die Chance dazu gibt.«
»Oh, Seine Exzellenz würde auf keinen Fall… Ich meine, das wäre doch völlig ausgeschlossen, oder?«
Gelächter erklang. Mumm hatte damit begonnen, den Schlagstock mit der einen Hand hochzuwerfen und mit der anderen aufzufangen.
»Er kann das Schwert dreimal in der Luft drehen lassen und es dann wieder am Heft fangen…«
Mumm drehte den Kopf. Er sah nach oben. Der Schlagstock fiel aufs Kopfsteinpflaster und rollte in eine Pfütze, ohne daß ihm der Kommandeur Beachtung schenkte.
Dann lief Mumm los.
Karotte sah ihm nach und versuchte zu erkennen, was seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.
»Auf dem Vorwerk«, sagte er. »Das Fenster dort oben… Steht dort nicht jemand? Entschuldigung, Entschuldigung, bitte um Verzeihung, Entschuldigung…« Er bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Mumm war bereits zu einer kleinen Gestalt in der Ferne geschrumpft. Sein roter Umhang wehte wie eine Fahne hinter ihm.
»Na und?« fragte Angua. »Viele Leute beobachten die Parade von guten Aussichtspunkten. Was ist so besonders daran?«
»Dort oben sollte niemand sein!« Karotte lief los, als sich ihm keine Hindernisse in Form von Publikum mehr in den Weg stellten. »Weil die Fenster dort vernagelt sind!«
Angua sah sich um. Alle Gesichter waren dem Straßentheater zugewandt, und ein Karren stand in der Nähe. Sie seufzte, trat hinter den Wagen und setzte dabei einen Gesichtsausdruck mißtrauischer Unbekümmertheit auf. Ein Keuchen erklang, gefolgt von einem leisen, organischen Geräusch, einem leisen Knurren und dem Klappern zu Boden fallender Rüstungsteile.
Mumm wußte nicht, warum er lief. Ein sechster Sinn veranlaßte ihn dazu. Sein Gehirn hatte aus dem Äther den Hinweis erhalten, daß etwas Schlimmes passieren würde. Doch es blieb nicht genug Zeit, um nach einer rationalen Erklärung zu
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